Sie haben anderes verdient

Das Schöne an der Demokratie ist, dass sie meist dazu führt, dass jedes Land den Repräsentanten bekommt, den es verdient. Hessen etwa hat den charismatischen Volker Bouffier, Rheinland-Pfalz den geschmeidigen Kurt Beck, Berlin den eifrigen Klaus Wowereit. Das heißt aber nicht, dass man jedem Land seinen Repräsentanten gönnen muss. Baden-Württemberg hat jetzt einen neuen Repräsentanten, der das Land zwar bestens repräsentiert, aber gegönnt sei er den Stämmen im Südwesten trotzdem nicht. Denn so gut der designierte Ministerpräsident Winfried Kretschmann auch zum Ländle passt mit seiner pastoralen Art, seinem Katholizismus, mit seinem grauen Bürstenschnitt, seiner ostentativen Betonung konservativer Werte, seinem fortgeschrittenen Alter und seiner einschneidend näselnden Stimme, so sehr missgönnt man den Sindelfingern, Böblingern, Waiblingern, Esslingern und Großbettlingern diesen Ministerpräsidenten. Vor allem die Stuttgarter haben ihn nicht verdient.
Das liegt nicht daran, dass Kretschmann seinen CDU-Vorgänger Fritz Teufel mit dem Satz zitiert: »Erst kommt das Land, dann kommt irgendwann die Partei und dann erst meine Person« – die Kontinuität des Konservativen steht den Baden-Würrtembergern durchaus gut. Dass sie Kretschmann nicht verdient haben, liegt auch nicht daran, dass den dortigen Schülern missgönnt sein solle, ein paar mehr Lehrer zu bekommen, wie es die rot-grüne Koalition unter Kretschmann nun aushandelte. Dass sich der Biologie-Lehrer mit Bildungspolitik profilieren will, ist im Land der Streber nicht die schlechteste Idee. Dass man den dortigen Eingeborenen Kretschmann als Ministerpräsidenten nicht gönnt, liegt an etwas anderem.
Neulich sagte der Mann, der bald das Kernland der deutschen Autoindustrie regieren wird, »weniger Autos« seien »natürlich besser als mehr«. Dass seine Öko-Partei ihren Erfolg einem grün-schwarzen Bürgertum verdankt, das so postmatierell, ökologisch und bildungsbeflissen tickt, weil es ihm an materiellen Gütern nicht mehr mangelt, weil es eben seit Jahrzehnten diese dicken Dreckschleudern in alle Welt exportiert, diesen Widerspruch übersehen die schwarz-grünen Baden-Würrtemberger so geflissentlich, dass man ihnen als Ministerpräsidenten wieder einen Steffen Mappus wünscht – der ihnen diesen Widerspruch, wenn sie plötzlich »Werte« wie Kopfbahnhöfe, Juchtenkäfer oder Schlossparkbäume entdecken, treffend mit Wasserwerfern und Pfefferspray erklärt.