Die Auswirkungen der syrischen Unruhen auf die Hizbollah

Die Hizbollah schweigt und hofft

Die Umbrüche in Syrien könnten große Auswirkungen auch auf den Libanon ­haben, vor allem für die Terrororganisa­tion Hizbollah.

Eigentlich kennt man die Libanesen als die protestfreudigsten aller Araber. Doch derzeit ist es erstaunlich ruhig in Beirut. Im Februar und März demonstrierten noch einige Tausend Menschen gegen das konfessionelle System und für mehr Demokratie. Doch je lauter die Opposition in Syrien wird, desto ruhiger scheint es in Beirut zu werden. Es herrscht eine gespannte Ruhe. Beide großen politischen Bewegungen – die pro-syrische mit der Hizbollah und ihren Koalitionären sowie die anti-syrische »Bewegung 14. März« um den ehemaligen Premierminister Saad Hariri – halten sich zurück. Allein einige versprengte sunnitische Islamisten demonstrierten ihre Solidarität mit der syrischen Opposition.

Die Mitglieder der »Zukunftsbewegung« Hariris frohlocken zwar, dass sich mit einem von Bashar al-Assad befreiten Syrien auch der syrische Einfluss im Libanon zurückdrängen ließe, doch offiziell heißt es diplomatisch, man »wünsche den syrischen Brüdern und dem syrischen Staat Sicherheit, Stabilität und Wohlstand«. Die mit der Hizbollah alliierten christlichen Aounisten erklären: »Der Damaszener Frühling zielt darauf, den Niqab für Frauen im Lehramt wieder zu erlauben. Das syrische Regime ist nicht das Beste. Aber wir können nicht bestreiten, dass die Situation der Christen in Syrien sehr gut ist.«
Die Hizbollah selbst äußert sich gar nicht. Politisch hatte sie zuletzt die Oberhand gewonnen. Vor drei Monaten hatten ihre Minister das Kabinett verlassen und mit ihrer parlamentarischen Mehrheit einen neuen Ministerpräsidenten gewählt. Doch Najib Mikati gelang es bisher nicht, ein neues Kabinett zusammenzustellen. Das liegt auch an der politischen Entwicklung in der Region, denn mit den Protesten in der arabischen Welt schwindet die Bedeutung der Hizbollah. Ein Umbruch in Syrien könnte langfristig sogar den Fortbestand der Gottespartei gefährden.
Es sind eher strategische politische Anliegen, aber keine große Sympathie, die die Hizbollah und das ba’athistische Regime in Syrien verbinden. Im eigenen Land verfolgt Assads Regime Islamisten. Auch jetzt behauptet die syrische Regierung, sie gehe in Deraa gegen Muslimbrüder und Salafisten vor. Doch für die libanesische Hizbollah ist Syrien lebenswichtig. In den vergangenen Jahren hat sie zwar aktiv an der Gestaltung der libanesischen Innenpolitik teilgenommen, seit 2005 auch mit eigenen Ministern, doch sie hat seit dem Krieg mit Israel 2006 vor allem auch ihr Waffenarsenal deutlich aufgestockt. Die Waffen kommen über Syrien aus dem Iran. Ohne Waffen kann die Hizbollah nicht das sein, was sie sein möchte: die wichtigste Widerstandsbewegung gegen Israel. Stürzt das Regime von Assad, bleibt aber immerhin der Luftweg nach Teheran. Denn die Hizbollah besetzt entscheidende Funk­tionen in der Verwaltung des Beiruter Flughafens.

Ob sie diese strategisch noch nutzen kann, ist fraglich. Ohne Syrien fehlt der Hizbollah die politische Protektion. Innenpolitisch geht es um die Anklage im Sondertribunal zur Aufklärung des Mordes am früheren Ministerpräsidenten Rafik Hariri, Saads Vater. Seit Monaten ist klar, dass die UN-Ermittler Hizbollah-Mitglieder als Täter ausmachen werden. Die Hizbollah hat mit einem Bürgerkrieg gedroht, sollte es zur Anklage kommen. Kaum vorstellbar, dass jemand diese Drohung ernst nähme, wenn Assad nicht mehr wäre. Die Hizbollah muss fürchten, dass auch ihre Wähler schockiert wären, käme ihr innerlibanesischer Terrorismus ans Licht, darunter die Tötung von Zeugen, auch eigenen Leuten, im Hariri-Prozess. Ohne syrische Protektion scheint es kaum vorstellbar, dass eine libanesische Regierung Hizbollah-Minister in ihr Kabinett berufen kann. Wie die libanesische Tageszeitung An-Nahar kommentiert: »Nur ein Verrückter würde ein Kabinett mit gesuchten Verbrechern bestücken.«
Außenpolitisch wäre der Fall des syrischen Regimes für die Hizbollah womöglich noch folgenreicher. Die USA und die EU betrachten sie als Terrororganisation. Viele arabische Staaten sind ihr nicht wohlgesinnt. Ein saudischer Gesandter soll dem syrischen Präsidenten die Botschaft überbracht haben, dass Saudi-Arabien zur Stabilisierung Syriens beitragen werde, sofern das Regime seine Unterstützung für die Hizbollah einstelle. Für die sunnitischen Saudis gilt die schiitische Hizbollah nicht nur aus religiösen Gründen als Feind, sondern auch, weil sie die Opposition im befreundeten Königreich Bahrain unterstützt.
Vieles, was derzeit im arabischen Raum geschieht, hängt miteinander zusammen. Und so wird in Syrien derzeit eben auch die Geschichte der Hizbollah geschrieben.