Grillen ist ein Genuss

Mach’s wie Prometheus!

Grillgegner lassen sich von ihren etatistischen und romantischen Affekten treiben. Denn Grillen ist ein Genuss mit Freundinnen und Freunden und erfordert zudem auch noch Grips.

Es gibt einen Affekt gegen das Grillen, insbesondere gegen das Grillen von Fleisch, ob mariniert, flachgeklopft oder am Spieß, ob Schwein, Huhn, Rind oder Meerschweinchen. Dabei geht es nur vordergründig um Grillgestank und Müllberge. Maßgeblich für den Affekt ist die Assoziation mit Formen frühmenschlicher Vergesellschaftung, die das Grillen unweigerlich weckt. Der Machismo eines Grillmeisters, der im Unterhemd am Grill steht, das vor ihm ausgebreitete Fleisch mit Bier abspritzt und Vegetarier mit den Worten »Vegetarisch? Da drüben ist die Wiese!« begrüsst, erinnert ja durchaus an das Bild, das Freud sich vom Anführer der »Urhorde« machte. Der etatistische Affekt gegen das Grillen speist sich aus dem Ekel vor dem vermeintlichen Rückfall in den von Hobbes beschriebenen Naturzustand, in dem das Leben armselig, schäbig, brutal und kurz ist. Daher rufen die Grillgegner nach dem Staat und nach Verboten.

Doch der Affekt hat auch eine revolutionär-romantische Seite. Rousseaus Beschreibung des Naturzustands zufolge sind die Domestizierung des Feuers und der Verzehr von Fleisch so etwas wie der menschliche Sündenfall in der Beherrschung der Natur. Von der Grillglut führt demnach ein direkter Weg zur Kernschmelze von Fukushima. Und was haben Hordenführer, Grillmeister und Kraftwerksbetreiber gemeinsam? Es handelt sich um Männer. Fleisch, Patriarchat – eine Katastrophe vom ersten Lagerfeuer bis zur nu­klearen Apokalypse. Für vegane Feministinnen wie Carol J. Adams, für die Gewalt gegen Frauen und die Verwertung von Tieren im Kapitalismus strukturell dasselbe sind, dürfte der Fall klar sein: Grillen ist böse.
Da bleibt nur die Frage: What’s wrong with you guys? Habt ihr noch nie bei einem kühlen Bier mit Freundinnen und Freunden einen Sonnenuntergang genossen, während nebenbei die Grillkohlen gemütlich geknistert und die saftigen Spareribs gebrutzelt haben? Selbst wenn dagegen 90 Prozent aller Grillabende eher an die Negativvorlage der Urhorde erinnern – was soll’s? Weil die meisten Hamburger aus Fastfoodketten stammen und schmecken, als könne man damit Squash spielen, sagt das doch noch nichts über den Hamburger an sich aus. Und der sollte übrigens auch auf dem Grill gebraten werden.
Die Sache mit der Urhorde ist ohnehin ein moderner Mythos. War der Naturzustand tatsächlich wie bei Hobbes, Rousseau oder Freud? Gab es wirklich Hordenführer und waren sie solche Chauvis? Keiner weiß es! Es ist nicht einmal genau bekannt, wie die Menschen darauf gekommen sind, Feuer zu machen. Nun gut, mit dem Feuer kam auch die Anthropophagie, was Funde aus der Sierra de Atapuerca in Nordspanien und aus Bilzingsleben in Thüringen bezeugen.

Noch heute gibt es eine Fleischerei in Bilzings­leben. Was da zurzeit in die Würste gepackt wird, kann die Fleischerei Holzapfel am Telefon nicht sagen. Aber Menschenfleisch sei »garantiert nicht dabei«. Es wird also nicht immer alles nur schlimmer! Zudem nehmen manche Forscher an, der Fleischverzehr, für den das Feuer – also der Grill – die notwendige Voraussetzung ist, habe der menschlichen Evolution erst den richtigen Kick gegeben. Die Zubereitung von Speisen am Grill erfordert ja auch etwas Grips.
Es gibt da einen anderen schönen Mythos, den von Prometheus, der den Göttern das Feuer stahl, um die Tyrannei der Naturgewalten über die Menschen zu beenden. Als Strafe schickte Zeus Pandora mit einer Büchse voller schlechter Eigenschaften zu den Menschen. Diese öffneten die Büchse aus Neugier und wurden von Zwietracht, Habgier, Neid und anderen unangenehmen Charakterzügen befallen.
Folglich könnte man sagen: Alle negativen Erscheinungen des Grillens – der Grillmachismo, das Markieren des Reviers, der Neid wegen eines größeren Stück Fleischs – sind pandoranisch. Es ist aber wie mit den Hamburgern: Die können auch nichts für die Burger aus der Pandorabüchse.
Gelungenes Grillen ist nämlich prometheisch: Es ist intelligent und liebevoll, in der Vorbereitung wie in der Zubereitung. Es besticht mit einer Fülle an Essen, die noch für zwei weitere Grill­abende reichen würde. Und es nimmt andere stets herzlich in seiner Mitte auf: Selbstverständlich ist auf dem Grill immer Platz für eine feministisches Tofuwürstchen.