09.06.2011
Über das rechte Medienprojekt »Spreelichter«

Mit weißer Maske zum Flashmob

Eine Studie des »Zentrums Demokratische Kultur« über Rechtsextremismus im Landkreis Dahme-Spreewald beschäftigt sich mit den Spreelichtern.

Nicht nur bei der Polizei sorgte der Anschlag auf eine Kabelbrücke am Berliner Ostkreuz für Aufregung, auch das rechte Medienprojekt Spreelichter beschäftigte sich damit. »Um es der Atom- und Waffenlobby mal so richtig zu zeigen und um für offene Grenzen zu protestieren, haben die roten Genossen in der Nacht von Sonntag zu Montag am Bahnhof Berlin-Ostkreuz in einer Kabel­trasse einen Kabelbrand verursacht, mit dem Ergebnis, dass zehntausende Menschen auf ihrem Weg zur Arbeit nicht nur mit dem schon zur Normalität gewordenen Leiden der von ebenfalls roten Genossen teilprivatisierten Bahn zu kämpfen hatten, sondern gleich gar nicht mehr vorankamen.«
Als Warnung an die Militanten vom Ostkreuz wird in einem Blogeintrag der Spreelichter der Spielfilm »Baader« von Christopher Roth zitiert, in dem die Hauptfigur nicht verhaftet wird, sondern im Kugelhagel der Polizei ums Leben kommt. »Was neben dem Spott bleibt, ist der gut gemeinte Ratschlag, beim nächsten Baader-TV-Abend mit dem Suff und allem, was sonst noch dazugehört, vielleicht doch ein wenig zurückzustecken, um es wenigstens mit dem halben Bewusstsein bis zum Ende des Films zu schaffen, der doch kein Happyend hat.«

Unter dem Namen »Spreelichter« tritt seit 2009 eine Gruppe mit Flashmobs oder Transparent­aktionen in Erscheinung. Die Aktivisten verbergen ihre Gesichter meist hinter weißen Masken. Auf ihrer Internetseite sind Videos, Webradiobeiträge und Erklärungen abrufbar. Aktuelle Blogeinträge, die man bei den Spreelichtern findet, wettern gegen den Zins, was einer prototypischen Spielart der Naziideologie entspricht, es werden aber auch Themen wie Datenschutz und Überwachung aufgegriffen. Auf ihrer Internetseite schreiben sie, auf den früheren BKA-Präsidenten Bezug nehmend: »Richtig funktioniert hatte Horst Herolds Vision von der staatlichen Digitalbegleitung ›von der Wiege bis zur Bahre‹ nie – bisher jedenfalls. Die Algorithmen waren zu schlecht, die Prozessoren zu langsam.« Nun aber sei dieser Traum wahr geworden. »Der Mensch wird zum Datensatz, ein Bündel von Merkmalen und Kategorien.« Auch hier schwingt als Inspirationsquelle der Film »Baader« mit, der die Auseinandersetzung zwischen der RAF und dem Staat auf ein Zwiegespräch zwischen Andreas Baader und Herold zuspitzt. Der Spielfilm war bereits vor einigen Jahren in der Naziszene in Südbrandenburg zitiert worden. Sätze, die im Film von der Darstellerin Gudrun Ensslins gesprochen werden, tauchten auch in einem Internetvideo der Kampagne »Jugend-Offensive« auf. Der Antifagruppe Oranienburg fiel die Verbindung zwischen den Spreelichtern und der »Jugend-Offensive« bereits im Dezember 2009 auf. Viele Berichte der Spreelichter seien auch auf der Internetseite der »Jugend-Offensive« veröffentlicht wurden, die von Sebastian Richter, einem Kader der »Jungen Na­tionaldemokraten« (JN), mitgeleitet worden sei. Richter gehörte 2007 zu den Gründungsmitgliedern der JN Oranienburg, mittlerweile gehört er zum Bundesvorstand der Jugendorganisation der NPD. Ihm und seinem Umfeld wird das Projekt Spreelichter von Beobachtern aus der Antifa-Szene zugerechnet.

Die Ideengeber der Spreelichter seien »Nationalsozialisten aus Lübben und Lübbenau. Dort werden die Strategien und Kampagnen der Gruppe entwickelt«, heißt es im Brandenburger Verfassungsschutzbericht 2009. Das Projekt Spreelichter hat nach Ansicht der Verfassungsschützer einen Pilotcharakter für die deutsche Naziszene. »Wie auch die Seite sind sämtliche Medien von einer erstaunlichen Qualität, die nicht darauf schließen lässt, dass sie quasi nebenbei produziert werden können«, stellt das Zentrum Demokratische Kultur (ZDK) in seiner aktuellen Studie »Rechtsex­tremismus im Landkreis Dahme-Spreewald« fest, da »das Equipment wie auch die verwandte Zeit auf ein hohes Maß an Fachwissen verweisen«. Über ihren Twitteraccount verlinken die Spreelichter Beiträge des Chaos Computer Clubs (CCC) oder Sendungen des CCC-Radioredakteurs Tim Pritlove, sie versuchen sich als zugehörig zur Netzcommunity zu präsentieren.
Zwiespältig bleibt ihr Verhältnis zur NPD. Die Gruppe vermeidet direkte Bezüge zu JN oder NPD, bei einigen Videos der Spreelichter wird jedoch das Symbol der »Nationalen Sozialisten« Südbrandenburgs eingeblendet. Dort haben der Studie des ZDK zufolge Kader aus NPD und JN, der seit März 2009 verbotenen »Heimattreuen Deutschen Jugend«, dem ehemaligen »Märkischen Heimatschutz«, der »Jugend-Offensive« und der »Freien Kräfte« zusammengefunden. Zur Bundestagswahl 2009 riefen die Spreelichter zum Wahlboykott auf und forderten stattdessen die Errichtung einer »Volksherrschaft«. Es finde, so die Studie, »im Wissen um die ›Janusköpfigkeit‹ der NPD eine punktuelle und ergebnisorientierte Zusammenarbeit statt, besonders mit den JN«. Beispielsweise bei »Leben heißt Kampf!«, dem von der JN Sachsen veranstalteten »Zweiten Nationalistischen Kampfsportturnier«. 350 Personen aus Sachsen und Südbrandenburg kamen zu dieser Veranstaltung, die nach Angaben der JN das Ziel gehabt hat, »einen kameradschaftlichen Wettkampf zu erzeugen, der den Anwesenden die weltanschauliche Ausrichtung der Jugendbewegung in Deutschland näher bringen sollte«.

In der Studie kommen einige Sozialarbeiter der Region zu Wort. »Rechtsaffine Jugendliche gibt es hier ganz viele«, sagt ein Streetworker aus Königs Wusterhausen. Rechtsextreme Äußerungen gebe es schon »in den jüngeren Altersstufen, bei den Sechs-, Sieben-, Elf- oder Zwölfjährigen. Die fangen dann an, Hakenkreuze an die Bushaltestellen zu schmieren oder mal die Feuerwehrtüren mit einem Messer zu bearbeiten und in diese was einzuritzen.« An den sozialen Brennpunkten in Königs Wusterhausen prägen Anwohner und Schüler das Stadtbild, die Szenemarken wie Thor Steinar, Ansgar Aryan oder Erik and Sons tragen. Ein Sozialarbeiter verteidigt seine Arbeit mit rechten Jugendlichen: »Wenn man in Königs Wusterhausen den Jugendlichen sagen würde, wir ­reden nicht mit euch oder ihr dürft an den Projekten nicht teilnehmen, wenn ihr Thor Steinar tragt, dann haben wir frei, dann können wir aufhören zu arbeiten.«
Die Wissenschaftler des ZDK machten bei ihrer Untersuchung auch Funde wie den Aufkleber der »Nationalen Sozialisten« Zossen. Dem Slogan der Spreelichter »Wir sind keine Demokraten. Na und?« wird in Zossen geantwortet mit: »Wir sind Nazis. Warum seid ihr keine?«