Rechtspopulistische Gruppen wollen sich in Berlin als Parteien etablieren

Neue Heimat für Enttäuschte

Vor den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus wollen die »Bürgerbewegung pro Deutschland« und »Die Freiheit« die Stimmen der rechten Wähler für sich gewinnen.

Auf Berlins Straßen sind zurzeit zwei rechtspopulistische Gruppierungen besonders aktiv. »Die Freiheit« und die »Bürgerbewegung pro Deutschland« sammeln Unterschriften, um zu den anstehenden Wahlen zugelassen zu werden. In Berlin finden am 18. September Wahlen zum Abgeordnetenhaus sowie zur Bezirksverordnetenversammlung (BVV) statt. In der Herkunftsstadt von Thilo Sarrazin hoffen »Die Freiheit« und die »Bürgerbewegung«, zahlreiche von dessen Anhängern zu gewinnen. Zwischen CDU und NPD wollen sie sich als »rechtsdemokratische Partei« beziehungsweise »Bürgerrechtspartei« etablieren. Zumindest in einzelnen Bezirken können sie sich Chancen ausrechnen.

Die »Bürgerbewegung pro Deutschland« des Kölner Publizisten Manfred Rouhs versucht in Berlin, den Erfolg von »Pro Köln« zu wiederholen. Dort sitzen die Rechtspopulisten bereits in der zweiten Legislaturperiode als Fraktion im Stadtrat. Neben der über Jahre hinweg betriebenen rassistischen Aufladung kommunaler Konflikte verdanken sie diesen Erfolg ihrer Kampagne gegen die vermeintliche »Islamisierung« der Stadt. Anlass hierfür war der Bau einer Großmoschee, für den sich auch der damalige Kölner CDU-Bürgermeister Fritz Schramma eingesetzt hatte – zum Leidwesen eines Teils seiner Basis, der den christlichen Charakter der Domstadt gefährdet sah. Auf dem Höhepunkt des Konflikts um den Bau der repräsentativen Moschee in Köln-Ehrenfeld versuchte »Pro Köln«, einen »Anti-Islamisierungs-Kongress« abzuhalten. Zu diesem sollten Politiker anderer rechtspopulistischer Parteien aus ganz Europa eingeladen werden. Auf diese Weise sollte »Pro Köln« in den Rang eines Partners von Parteien wie der FPÖ aus Österreich oder des französischen Front National aufrücken. Dieser Kongress scheiterte an Blockaden, die von antifaschistischen Bündnissen organisiert worden waren.
Eine Veranstaltung mit dem Titel »Abendland in Christenhand«, bei der es sich um eine bloße Kundgebung handeln dürfte, hat die »Pro-Bewegung« nun für das letzte Augustwochenende in Berlin angekündigt. Sie fällt damit auf denselben Termin, an dem der Ramadan endet und irantreue Anhänger des politischen Islam zum »Al-Quds-Tag« aufmarschieren werden.
Auch die zweite rechtspopulistische Vereinigung, die auf die Zustimmung der Anhänger Sarrazins spekuliert, instrumentalisiert die Kritik am Islam für ihre Zwecke. »Die Freiheit«, die im Herbst vorigen Jahres in die Öffentlichkeit trat, hat sich den Niederländer Geert Wilders und dessen »Partei für die Freiheit« (PVV) zum Vorbild genommen. Gegründet wurde sie von René Stadtkewitz, der zuvor für die CDU im Berliner Stadtparlament gesessen hatte, seinem ehemaligen Parteikollegen Marc Doll sowie Stefan Koenig, der früher zum Bundesvorstand der »Piratenpartei« gehörte. Während der Auseinandersetzung um den Bau der ersten Moschee im Osten Berlins – in seinem Wahlkreis Pankow – hatte Stadtkewitz »den Islam« als Thema entdeckt. Bis zu seinem Austritt aus der CDU gehörte er dem rechten Flügel der Partei an. Er war Erstunterzeichner der »Aktion Linkstrend stoppen«, die einen »Linksruck« der CDU beklagte. Auch Marc Doll vertrat schon während seiner Zeit in der CDU eine Law-and-Order-Politik und pflegte rechtspopulistische Rhetorik. Auf einer Kundgebung unter dem Motto »Solidarität mit Geert Wilders« begeisterte er sein Publikum mit dem homophoben Kalauer »Wie heißt die deutsche Außenministerin?«, um wenig später über die vermeintliche Homophobie der muslimischen Bevölkerung zu reden.
Nur Stefan Koenig stammt nicht vom rechten Rand der CDU. Der Medienunternehmer rechnet sich vielmehr selbst zum »marktwirtschaftlich-ultraliberalen« Spektrum und wird von anderen Rechtspopulisten deshalb als »linksliberal« kritisiert. Hierin sind die Mitglieder von »Die Freiheit« selbst gespalten: Auf der einen Seite rechtskonservative, von der eigenen Partei enttäuschte Politiker aus der dritten Reihe der Union, auf der anderen Seite Rechtslibertäre, die es ernst meinen mit innerparteilicher Demokratie und Minderheitenschutz. Verbunden sind sie einstweilen nur nurch den Hass auf »den Islam« und die Vertreter von »Multikulti« sowie den Glauben, sich als Partei etablieren zu können.

Bei »Die Freiheit« genügt, anders als bei »pro Deutschland«, nicht ein Blick in die Biographien der Akteure, um die Partei als rechtspopulistisch klassifizieren zu können. »Pro« versteht sich als eine Art Sammelbecken für heimatlos gewordene rechte Politiker der Hauptstadt. So finden sich dort verschiedene Landesvorsitzende der »Republikaner« und der Landesvorsitzende der DVU, Torsten Meyer, auf den Wahllisten. »Die Freiheit« hingegen versucht sich strikt von Personen zu distanzieren, die Mitglied in einer Organisation der extremen Rechten waren oder sind. Was führende Politiker der »Freiheit« dennoch nicht hindert, Begriffe wie »Schuldkult« oder »Volksgemeinschaft« zu verwenden, die deutlich dem rechtsextremen Vokabular entstammen.
Die Projektgruppe »Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in kommunalen Gremien Berlins« stellt mit Blick auf das Programm der Vereinigung fest: »Wie andere Rechtspopulisten betreibt ›Die Freiheit‹ eine Politik, die auf die zunehmende Entrechtung von Migrantinnen und Migranten hinwirkt, deren Herkunft als Ursache für soziale Problemlagen herhalten muss«. Wie er sich die Lösung solcher Probleme vorstellt, beschrieb der stellvertretende Bundesvorsitzende von »Die Freiheit«, Karl Schmitt, am Beispiel von Migranten aus Afrika. Er plädierte für »die Einrichtung von exterritorialen Schutzzonen. Die könnten im durch Auswanderung verdünnten Ostdeutschland liegen, in Nordafrika oder auch in Sibirien. Dort bekommen die Leute lagerähnliche Unterkünfte und Möglichkeiten, ihr Zusammenleben selbst zu organisieren und sich nach einiger Zeit auch eigene Häuser und Siedlungen zu bauen. Finanziert wird das Ganze mit der Arbeit dieser Zuwanderer. Das heißt, große Firmen können dort Produktionen errichten, und die Zuwanderer haben Löhne zu akzeptieren, die so niedrig sind, dass die Firmen noch Abgaben für die vom Gastgeberland zur Verfügung gestellte Infrastruktur zahlen können.« Auf diese Weise wäre wohl auch die »soziale Frage« im Sinne von Schmitt und seinen Anhängern gelöst.