Das ist ja meine Clubkrawatte

In Alfred Hitchcocks »Frenzy« gibt es eine Szene, in der eine Menschenmenge beobachtet, wie die Leiche einer erdrosselten Frau ans Ufer treibt. »Das ist ja meine Clubkrawatte«, stellt entsetzt ein distinguierter Herr fest, als er erkennt, was um den Hals der Frau geschlungen wurde. Wie ihm ergeht es derzeit den europäischen Rechtspopulisten. Anders Behring Breivik gehörte zu ihrem Club. Die Verantwortung für seine Taten trägt er allein, er ist offenbar einer jener rechtsextremen lone wolves, vor denen in den USA bereits im April 2009 das Department of Homeland Security warnte. Zwei Monate später erschoss Scott Roeder einen Arzt, der in einer Abtreibungsklinik arbeitete; das Attentat Jared Lee Loughners, der im Januar bei einer Kundgebung der Demokraten sechs Menschen tötete, war der bislang letzte Anschlag eines lone wolve in den USA. Obwohl sich der US-Rechtspopulismus, für den das Feindbild Muslime eine geringere Rolle spielt, vom europäischen unterscheidet, gibt es ein gemeinsames Motiv. Die Terroristen fühlen sich berufen, eine imaginierte kulturelle Tradition gegen jene zu verteidigen, die sie als deren Zerstörer ausmachen. Ihr Hass gilt vor allem den »inneren Feinden«, Breivik nennt sie »Kulturmarxisten«, in Deutschland spricht man von »Gutmenschen«, in den USA von liberals. Den Massenmord in Norwegen als Kollateralschaden der »Islamkritik« zu betrachten, greift daher zu kurz. Denn obwohl die gängige »Islamkritik« – nicht zu verwechseln mit einer Islamkritik in der Tradition der Aufklärung und des Marxismus – meist kenntnislos und reaktionär ist, wäre sie ein harmloses Hobby Halbgebildeter, ginge sie nicht so oft mit der Ansicht einher, muslimische Migranten seien eine Invasionstruppe (»demographischer Jihad«), der man mit einer Rückbesinnung auf »eigene« Werte entgegentreten müsse. Breivik glaubt, dass Norwegen sich abschafft, er eifert in seinem »Manifest« daher auch gegen den Feminismus und fordert eine »neue Geburtenpolitik«. Wenn Thilo Sarrazin über das Fortpflanzungsverhalten von Migranten doziert und erläutert, dass »Verwicklungen«, die sich aus der »Sicherung des Territoriums« und der »Regulierung von Zuwanderung« ergeben, immer wieder »von blutigen Orgien und Gewalt« begleitet wurden, macht ihn das nicht zum geistigen Urheber des Massenmords. Dennoch hat er mehr mit Breivik gemeinsam als eine Vorliebe für Fußnoten. Für Linke können sich vergleichbare Probleme stellen, auch wer nie Stalinist war, sollte sich mit den Verbrechen Pol Pots auseinandersetzen. Lone wolves scheinen jedoch nur aus dem rechtspopulistischen Milieu hervorzugehen, vermutlich weil die dort zu findende Verbindung von paranoider Stimmung, Selbstgerechtigkeit und verbaler Aggressivität narzisstische Psychopathen zunächst anzieht, diese sich dann aber enttäuscht abwenden und zu Terroristen werden.