Die Krise hat den griechischen Fußball erreicht

Ein griechisches Trauerspiel

Der Hauptsponsor soll privatisiert werden, für Auswärtsfahrten ist kein Geld da – die Krise hat den griechischen Fußball voll erwischt.

Selbst der Fußball spendet den Griechen keinen Trost mehr. Wie soll er auch? Die Vereine stehen vor der Pleite, Sponsoren springen ab und ein Wettskandal jagt den nächsten. Dazu kommen die massiven Ausschreitungen von Fans. Am 27. August soll nun die »Super League« beginnen.
Manchmal drei, oft auch vier Monate lang musste Denis Epstein auf sein Gehalt warten. Die mächtigen Männer aus der Chefetage seines Vereins Iraklis Thessaloniki zuckten immer nur müde mit den Schultern, wenn der deutsche Fußballprofi sein Gehalt und die ihm zustehenden Prämien einforderte. »Schließlich habe ich es per Gericht eingeklagt. Der Prozess läuft immer noch«, berichtet der 25jährige Stürmer, der vor zwei Jahren von Olympiakos Piräus an Iraklis ausgeliehen worden war. Ob Epstein allerdings das ausstehende Geld noch überwiesen bekommt, ist vollkommen ungewiss, denn bis heute ist in dem Verfahren noch kein Urteil gefällt worden. Und selbst wenn der Fußballprofi vor Gericht Recht bekäme, könnte er nicht fest damit rechnen, auch bezahlt zu werden: Der Traditionsverein Iraklis hat mittlerweile wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten seine Lizenz ver­loren und wurde zudem in die dritte Liga strafversetzt.
Seit nunmehr zwei Jahren steckt Griechenland in seiner tiefsten Krise. In dieser Zeit ist der Fußball in Hellas von Skandalen, Pleiten, Korruption, Fangewalt und zuletzt der Wirtschaftskrise so heftig durchgeschüttelt worden, dass der griechische Fußballverband (EPO) Anfang Juni sogar für zwei Wochen seinen Betrieb einstellte. EPO-Präsident Sofoklis Pilavios wollte diese Reaktion als letzte, drastische Warnung an die in seinem Verband organisierten Fußballvereine verstanden wissen. »Unser Fußball stirbt«, erklärte der Funktionär unverblümt; und er hat wohl Recht damit.
Die Stimmung unter den Fußballern und Fans in Hellas ist derzeit kaum besser als die der Menschen auf den Straßen in der Hauptstadt Athen oder anderswo im Land des Fußball-Europameisters von 2004. »Vor allem die ausländischen Profis denken jetzt verstärkt daran, Griechenland zu verlassen«, so Epstein, dessen Vertrag mit dem griechischen Dauermeister Olympiakos Piräus im Juli plötzlich aufgelöst wurde. Der Stürmer wechselte zum Ligakonkurrenten Atromitos Athen und ist pünktlich zum Trainingsauftakt Anfang August in die griechische Hauptstadt gereist. Allerdings ohne seine Frau und seine drei Kinder. »Die Situation in Athen ist nicht so, als dass ich das meiner Familie zumuten möchte«, klagt der Spieler.
Epstein kickt seit drei Jahren in Griechenland und hat allerhand zu erzählen. Für Iraklis schoss er zehn Tore. 2009 war sein bestes Jahr, und Epstein freut sich noch immer sehr darüber. »Ich sehe das in der Tat noch als Bewerbung für die erste Bundesliga«, so der ehemalige U17-Nationalspieler. Nach einem eher mäßigen Abstecher zu Athlitikos Omilos Kerkyra auf der Insel Korfu stand Epstein eigentlich noch zwei Jahre lang beim griechischen Serienmeister Olympiakos Piräus unter Vertrag, bevor der nun aufgelöst wurde.
Piräus muss sparen. Der Klub ist wie alle griechischen Vereine der »Super League« hoch verschuldet, mit rund 180 Millionen Euro soll er bei den griechischen Banken in der Kreide stehen. Ein Angebot des Klubeigners Sokrates Kokkalis, den ehemaligen Hafenarbeiterverein für angeblich 160 Millionen zu verkaufen, fand keine Resonanz. Kaum besser ist die Situation bei den anderen großen griechischen Traditionsvereinen wie AEK Athen, PAOK Saloniki oder Panathinaikos Athen, der bereits Anfang der achtziger Jahre in eine Aktiengesellschaft transformiert wurde. Der Club wird jetzt kommissarisch geführt, nachdem eine Gruppe von Aktionären an der Klubspitze die »Grünen« langsam, aber stetig an den finanziellen Abgrund geführt hatte. Panathinaikos ist kein Einzelfall. Es gibt gegenwärtig keinen einzigen Fußballverein in Griechenland, der sich nicht in einer existenziellen Finanz- und Führungskrise befindet. In der zweiten griechischen Liga traten einige Vereine in der Rückrunde der vergangenen Saison sogar nicht mehr zu Auswärtsspielen an, weil sie die Reisekosten nicht bezahlen konnten.
Teure Einkäufe von ausländischen Stars wie Cissé oder Rivaldo, sinkende Zuschauerzahlen und der Rückzug von Sponsoren seit dem Ausbruch der Wirtschaftskrise hat nahezu alle griechischen Fußballvereine an den Rand der Pleite getrieben. Jetzt kommen auch noch fehlende Einnahmen von der nationalen Sportwettengesellschaft OPAP hinzu, die selbst schwer von der Krise gebeutelt wurde. OPAP gilt als einer der wichtigsten Sponsoren im griechischen Fußball, gehört aber jetzt plötzlich zu den wenigen profitablen staatlichen Filetstücken und soll auf Druck der EU-Kommissare schnell privatisiert werden. Wie es danach mit OPAPs Fußballengagement weitergeht, ist genauso ungewiss wie so vieles in Griechenland. Mittlerweile haben sogar die griechischen Steuerfahnder den Fußballsport entdeckt und streng ins Visier genommen. Das mitunter undurchsichtige Geschäftsgebaren der Klubs soll ab sofort sorgfältig geprüft werden, Spitzensportler werden in Hellas nun mit 35 bis 45 Prozent besteuert. Bisher galt für die Top-Athleten ein Steuersatz von lächerlichen 21 Prozent. Zumindest auf dem Papier.
Ob all diese Maßnahmen greifen und die Finanzkrise des Fußballs lindern können, ist höchst ungewiss. »Keiner hat ein echtes Rezept, wie der Fußball aus dieser Misere wieder raus kommt«, das ist nicht nur Epstein aufgefallen. Aber warum soll es im Fußballsport eigentlich anders zugehen als in den anderen gesellschaftlichen und ökonomischen Milieus in Griechenland? Neuester Akt in dem griechischen Fußballdrama ist ein Wettskandal. Nicht weniger als 60 Spiele der »Super League« sollen in den vergangenen zwei Jahren von Wettbetrügern manipuliert worden sein – mit der Unterstützung von Spielern, Funktionären und Schiedsrichtern.