Die Verlängerung der Anti-Terrorgesetze

Geheim bleibt geheim

Niemand weiß, wie die Geheimdienste ihre durch die Anti-Terrorgesetze gewonnenen Befugnisse einsetzen. Dennoch wurde die Gültigkeit der Gesetze erneut verlängert.

Wiederholung erzeugt Gewöhnung, Gewöhnung sichert Akzeptanz. In der vergangenen Woche wurden zum dritten Mal die ursprünglich als befristet eingeführten Anti-Terrorgesetze von 2001 verlängert. Sie hätten sich eben »bewährt«, wie Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte. Wie und warum sich die Befugnisse für die Geheimdienste bewährt haben, bleibt streng vertraulich. Schließlich ist das Gesetz vor allem ein Zugriffsgesetz für die Geheimdienste, und was ist ein Geheimdienst schon wert, dessen Geheimnisse jeder kennt?
Freilich müssen auch diese Maßnahmen »evaluiert« werden, sonst gibt es keine Verlängerung. Wie und durch wen sie überprüft werden sollen, wurde jedoch nicht festgelegt. Also haben sich die Nachrichtendienste einfach selbst evaluiert, und siehe da: Die Maßnahmen erwiesen sich als nützlich. Fragte tatsächlich einmal jemand nach Details, so wurde er auf die erforderliche Geheimhaltung verwiesen. Die Preisgabe von Informa­tionen stelle ein Sicherheitsrisiko dar. Al-Qaida würde sich ja kringelig lachen über die doofen Deutschen, plauderten die ihre reichhaltigen Erkenntnisse einfach so aus.
So kommt es, dass niemand so recht weiß, wie reichhaltig diese Erkenntnisse überhaupt sind. Ob sie tatsächlich dank der im »Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz« vorgesehenen Maßnahmen gewonnen wurden, erfährt die Öffentlichkeit auch nicht. Und deshalb weiß auch niemand, wie viele Ausspähungen vorgenommen wurden, die keine unmittelbar relevanten Informationen zur Bekämpfung des Terrorismus brachten.
In erster Linie ermächtigt das Gesetz nämlich die Geheimdienste dazu, das Leben von Bürgern auszuspähen, ohne einen Richter die Gesetzeskonformität der Maßnahme prüfen zu lassen – weder vorher, noch im Nachhinein. Alles verfügbare Wissen, das Banken, Telefonunternehmen und Internetfirmen über ihre Nutzer sammeln, ist ohne richterliche Hürde für den Zugriff freigegeben. Was man von wem überprüft, wird nicht nur vor al-Quaida, sondern auch vor möglicherweise kritischen Richtern geheimgehalten. Das ist der Traum aller Verfolgungsbehörden.
Dem Bundesinnenminister ist die Verlängerung der Maßnahmen folgerichtig eine echte Herzensangelegenheit. Die Liberalen vermeiden weiteren Streit in der Koalition. Vorrangiges Etappenziel im Überlebenskampf der FDP ist ein Kompromiss bei der Vorratsdatenspeicherung, der sich als einigermaßen liberal verkaufen lässt. Immerhin war die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eine der Klägerinnen, die das alte Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich angefochten hatten und so eine Neuregelung nötig machten. Im Tauschgeschäft dafür haben die Liberalen nun die Verlän­gerung des Anti-Terrorgesetzes durchgewunken.
Die Nachrichtendienste dürfen sich freuen. Was ihnen 2001 als sekundärer Kriegsgewinn im »War on Terror« an Ermittlungsrechten zugefallen ist, müssen sie nicht wieder hergeben. Und wenn der letzte islamistische Terrorist irgendwann tot umgefallen ist, jagen sie eben jemand anderen. Steuersünder vielleicht. Oder Autoanzünder. Eine breite Akzeptanz wäre ihnen nach all den Jahren der Gewöhnung fraglos sicher.