Kein Herz für Fidel

»Lieber Genosse Fidel Castro … «, begann der Geburtstags-Brief der beiden Linken-Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, in dem sie den früheren kubanischen Präsidenten Fidel Castro für sein Lebenswerk beglückwünschten. Kuba sei »Beispiel und Orientierungspunkt für viele Völker der Welt«. Kurz nach dem Mauerskandal und kurz vor den Wahlen in Berlin sieht ein Großteil der deutschen Zeitungen die Zukunft der Partei gefährdet. »Bizarrer Schleim-Brief an Fidel Castro«, titelte die Bild-Zeitung und verwies darauf, dass der Brief, den »DDR-Staatschef Honecker nicht besser formuliert hätte«, am 50. Jahrestag des Mauerbaus versandt wurde. Die Welt forderte mehr Konsequenz von der Parteiführung: »Die Glückwünsche für Fidel Castro können nur der Anfang gewesen sein. Auch Margot Honecker oder Kim Jong-un würden sich über Post freuen.« Reinhard Müller unterstellte Lötzsch in der FAZ gar, »das geschundene kubanische Volk« zu verachten. Der Mensch und seine Rechte seien ihr egal: »Sie hat ihren Anspruch verwirkt, für eine ›bessere Welt‹ zu streiten.« Auch bei der Süddeutschen sorgte man sich um Lötzsch, sie habe in diesem Jahr »viel Erfahrung sammeln können«, beispielsweise wie »sensibel die Öffentlichkeit in Deutschland auf bestimmte Themen« reagiere. Beim Spiegel sah man das ähnlich: »Die Linke pflegt ihre Führungskrise« und trete »zielsicher in jeden Fettnapf«. Unter dem Titel »Kleine Kubakrise« analysierte Stefan Reinecke in der Taz den Geburtstagsgruß. Der Text sei kein Skandal, sondern einfach »ein kurioses Dokument beachtlicher Dummheit.« Er resümierte, dass sich in der Parteispitze »Gedankenlosigkeit mit einem erstaunlichen Mangel an politischem Talent verbunden« habe.
Einzig die Junge Welt bezog Stellung für die Geschmähten und fragte wehmütig: »Abschied von Kuba-Solidarität?« Dann stellte sie aber beruhigt fest, dass die Solidarität der Partei mit Kuba »sich zum Glück nicht nur in harmlosen Glückwunschschreiben« äußere.