Streit um Rüstungsforschung an der Universität Bremen

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Ein Satellitenkonzern, der auch die Bundeswehr beliefert, möchte an der Bremer Universität eine Stiftungsprofessur einrichten. Allerdings nur unter der Bedingung, dass die Universität eine Zivilklausel ändert, die jegliche Beteiligung an Rüstungsforschung ausschließt.

Geschäftlich könnte es kaum besser laufen für die Familie Fuchs. »Diese Firma hat Gewinnverdopplungspotenzial«, schrieb kürzlich Wallstreet Online über den in Familienbesitz befindlichen Bremer Satellitenkonzern OHB, der unter anderem mit Aufträgen der Bundeswehr Umsätze in dreistelliger Millionenhöhe macht. Doch in die Schlagzeilen gelangte der Vorsitzende des Konzerns, Marco Fuchs, nicht nur wegen der Gewinne seines Unternehmens. Seit einigen Monaten gibt es Streit über eine Stiftungsprofessur für Raumfahrttechnologie, die OHB an der Bremer Universität ansiedeln will. Rüstungsgegner in und außerhalb der Hochschule wehren sich gegen die Forschungsförderung aus dem Hause OHB – und verweisen auf eine seit den achtziger Jahren geltende Zivilklausel, eine Selbstverpflichtung der Bremer Universität, die jede Beteiligung an Rüstungsforschung ausschließt. Anfang Juli brachte der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Gregor Gysi, die Angelegenheit sogar im Bundestag auf die Tagesordnung. Die Linkspartei vermutete, dass es geheime Absprachen zwischen der Universität und den Militärsatellitenbauern gebe.

Eskaliert war der Streit Anfang Juni. Da hatte Fuchs der Universität Bedingungen gestellt. »Wir bekennen uns dazu, Geschäfte mit der Bundeswehr zu machen. Sie ist ein hoch geschätzter Kunde von uns. Daran wollen und werden wir auch in Zukunft nichts ändern«, sagte er der Lokalzeitung Weser-Kurier. »Die Universität muss prinzipiell entscheiden, ob sie mit Unternehmen, die mit der Bundeswehr Geschäfte machen, zusammenarbeiten will«, sagte Fuchs. »Wenn sie das nicht will, ist das für mich in Ordnung. Aber dann wird es auch keine Stiftungsprofessur geben.« Es gebe nur eine Wahl: »Entweder die Uni ändert die Zivilklausel, oder wir lassen die Professur sein.« Das würde die Hochschule mindestens 1,65 Millionen Euro kosten – diesen Betrag will OHB auf zehn Jahre verteilt für den Lehrstuhl ausgeben.
Das Ansinnen des Konzernmanagers richtete sich gegen einen Konsens, der an der Bremer Universität seit ihrer Gründung in den siebziger Jahren Gültigkeit hatte. Die einst von K-Gruppen dominierte und von Konservativen als »rote Riesenkrake« verspottete, ehemals linke Reform­universität war angetreten, »interessengeleitete Wissenschaft im Dienste der Unterprivilegierten« zu betreiben. Bis heute ist der Beschluss Nr. 5 113 des Akademischen Senats in Kraft, »jede Beteiligung von Wissenschaft und Forschung mit mili­tärischer Nutzung bzw. Zielsetzung« abzulehnen. Auch Forschungsthemen und -mittel sollen abgelehnt werden, wenn sie Rüstungszwecken dienen. Im Februar hatten 63 Bremer Wissenschaftler, darunter viele pensionierte Professoren, in einem offenen Brief beklagt, dass die Wirtschaft immer mehr Lehrstühle finanziere und darüber Einfluss auf die Forschung der Universität nehme. »Besonders problematisch« sei die Stiftungsprofessur von OHB.

Die Leitung der Universität ließ sich davon nicht beeindrucken. Einen Tag nachdem im Weser-Kurier das Interview mit Fuchs erschienen war, meldete sich der Rektor der Universität, Wilfried Müller, zu Wort. Man sei OHB für das Engagement »außerordentlich dankbar«, alle universitären Gremien begrüßten die Professur, die »auf Grundlagenforschung ausgerichtet« sei, sagte er. In der Vergangenheit hatte Müller immer wieder den Schulterschluss mit der Familie Fuchs gesucht und sie 2010 gar zu »Ehrenbürgern« der Univer­sität ernannt. Das Rektorat halte eine »Aktualisierung der sogenannten Zivilklausel für erforderlich«, da sich die »geopolitische Gesamtsituation seit den achtziger Jahren erheblich verändert hat«, sagte er nun. Die Universität werde eine »Neuregelung eigeninitiativ und selbstbestimmt in gesellschaftlicher Verantwortung vornehmen«.
Die hochentwickelten Aufklärungssatelliten des OHB-Konzerns, vor allem die SAR-Lupe, aber auch andere Systeme (Jungle World 4/2011), haben die Bundeswehr in die Lage versetzt, anders als noch zu Zeiten des Kosovo-Kriegs, unabhängig von der Aufklärung der USA militärische Schläge zu planen und durchzuführen. Ihre Anschaffung war ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer eigenständigen militärischen Interven­tionsfähigkeit Deutschlands. Und die Aufrüstung in dem Bereich geht weiter, als nächstes vermutlich mit dem geplanten optischen Satellitensystem Helios. Zudem sollen OHB-Satelliten in das Eurosur-Aufklärungssystem eingebunden werden, das die EU-Außengrenzen überwacht, um Flüchtlinge besser abwehren zu können.

Eine Gruppe von Dekanen fand, dass sich dies trefflich mit der »selbstbestimmten gesellschaftlichen Verantwortung« der Universität vertrage. Sie brachte auf der letzten Sitzung des Akademischen Senats eine Beschlussvorlage zur OHB-Stiftungsprofessur ein. Arnim von Gleich, Professor für Produktionstechnik, verwies auf das Massaker von Srebrenica und den 11. September, um zu begründen, dass die Universität »positive Beiträge für den Schutz vor Gewalt und Menschenrechtsverletzungen« leisten müsse – »auch wenn diese mit Waffengewalt verteidigt werden müssen«. Das erinnert an die Debatte, die 1999 bei den Grünen geführt wurde: Damals brachte Joseph Fischer mit einem Verweis auf Auschwitz die Pazifisten der Partei dazu, dem Angriff auf Serbien zuzustimmen. Der Beschluss in Bremen wurde vorerst vertagt. In der Zwischenzeit läuft die Ausschreibung für die OHB-Professur weiter – ebenso wie der Streit. Der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) hat fast 1 000 Unterschriften gesammelt, und das Friedensforum hat heraus­gefunden, dass OHB entgegen der Beteuerungen der Universität sehr wohl auf verschiedene Weisen Einfluss auf die Professur nehmen kann. Die Linkspartei stellte im Bundestag eine Anfrage über »Geheimverträge zwischen Wissenschaftseinrichtungen und Unternehmen«, in der es auch um OHB ging. Darin verwies sie darauf, dass Fuchs die Streichung der Zivilklausel zur Bedingung für seine Stiftung gemacht hatte.
Der Bremer FDP-Bundestagsabgeordnete Torsten Staffeldt hatte offenbar das Interview mit Fuchs nicht gelesen. Als er von der Anfrage der Linkspartei hörte, schrieb er einen empörten Brief an Gysi, dem er vorwarf, sich mit »ideologischen Äußerungen zu profilieren« und »mit Falschdarstellungen« die Bremer Universität und OHB in Misskredit zu bringen. Die Zivilklausel sei »ein Relikt des Kalten Krieges«, während die Professur von OHB eine »wichtige Ergänzung des Raumfahrt-Standortes Bremen« sei. Unternehmenssprecher Steffen Leuthold reagierte prompt auf Staffeldts Brief. »Wir mischen uns nicht in die interne Diskussion an der Uni ein«, sagte er. Doch wenn die Zivilklausel nicht falle, »dann werden wir uns eben zurückziehen«. In der vorigen Woche meldete sich der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zu Wort. Er präsentierte einen Verhaltenskodex, der das Vorgehen von OHB ausdrücklich billigt. »Der Wunsch von OHB, eine Änderung der Zivilklausel zu erreichen, ist legitim, ebenso wie es legitim wäre, wenn die Universität diese Zivilklausel nicht verändern wollte«, teilte ein Verbandssprecher mit. Im November will der Akademische Senat endgültig über die Angelegenheit befinden.