Die Folgen der Anschläge in Israel

Zurück zum Nahost-Konflikt

Die Anschläge nahe Eilat führten zu einer Konfrontation zwischen Ägypten und ­Israel. Eben dies könnte das Ziel der Terroristen gewesen sein.

Für palästinensische Terroristen wird die Arbeit schwerer. Obwohl erst drei der vorgesehenen sechs Batterien des israelischen Abwehrsystems »Iron Dome« einsatzbereit sind, gelang es in der vergangenen Woche, 15 vom Gaza-Streifen aus abgefeuerte Raketen zu zerstören. Allerdings versuchen die Terrororganisationen, sich auf die neue Lage einzustellen, und feuern Salven ab. So konnten fünf auf Beer Sheva zufliegende Raketen abgefangen werden, eine explodierte jedoch in einem Wohngebiet und tötete Yossi Shushan.
Die Gefahr kann gemindert werden, absolute Sicherheit gibt es jedoch nicht. Nach eigenen Angaben waren die israelischen Sicherheitsdienste auch darüber informiert, dass Anschläge in Süd­israel geplant waren. Die Militärpräsenz in dieser Region wurde verstärkt, doch konnten die Angriffe, bei denen am Donnerstag vergangener Woche acht Menschen getötet wurden, nicht verhindert werden.
Die Attentäter kamen offenbar aus dem Gaza-Streifen, nach israelischen Angaben waren sie Angehörige der Volkswiderstandskomitees (PRC), einer extremistischen Miliz, die vor elf Jahren von ehemaligen Anhängern der Fatah gegründet worden ist. Die Vergeltungsaktionen der israelischen Luftwaffe, bei denen 15 Menschen getötet wurden, richteten sich vor allem gegen Stellungen der PRC.
Bei der Verfolgung der Täter wurden jedoch auch fünf Angehörige der ägyptischen Sicherheitskräfte getötet. Die Terroristen hatten Südisrael über ägyptisches Territorium erreicht und waren nach den Anschlägen dorthin geflohen. Mit der Entschuldigung des israelischen Verteidigungsministers Ehud Barak gab sich der in Ägypten herrschende Oberste Militärrat (SCAF) nicht zufrieden. Vor der israelischen Botschaft in Kairo versammelte sich eine Menschenmenge, die den Abbruch der diplomatischen Beziehungen forderte.
Vor allem deutsche Kommentatoren betrachten die Anschläge in Südisrael als eine Folge der ägyptischen Revolution. Aber auch Barak sagte, die Lage habe sich seit dem Sturz Hosni Mubaraks verschlechtert: »Dieses Ereignis spiegelt die Schwächung der ägyptischen Kontrolle über den Sinai wieder.«

Tatsächlich haben die ägyptische Polizei und das Militär erhebliche Probleme bei der Bekämpfung bewaffneter Gruppen auf der Sinai-Halbinsel. Mehrfach wurden Anschläge auf die Gaspipeline nach Israel verübt und Checkpoints der Sicherheitskräfte angegriffen. Am 29. Juli versuchten mehr als 100 Bewaffnete, die Polizeistation von al-Arish zu stürmen, zwei Polizisten und ein Soldat wurden erschossen. Derzeit wird im Rahmen der »Operation Adler« nach Terroristen gesucht. Der SCAF hat in Absprache mit Israel, das gemäß dem Friedensvertrag eine Erhöhung der Truppenzahl auf der Sinai-Halbinsel genehmigen muss, zuätzliche Soldaten und Militärfahrzeuge in die Grenzregion verlegt. Die israelischen Behörden gaben die ihnen vorliegenden Informationen über den bevorstehenden Angriff jedoch offenbar nicht an die Ägypter weiter. Dafür mag es gute Gründe gegeben haben, doch waren die besser vorbereiteten Israelis nicht effektiver in der Terrorbekämpfung.
Überdies schwand die Kontrolle über den Sinai bereits unter der Herrschaft Mubaraks. Am 7. Oktober 2004 wurden drei Sprengstoffanschläge auf der Halbinsel verübt, zwölf der 35 Todesopfer waren Israelis. Im Juli des folgenden Jahres starben 88 Menschen bei Anschlägen in Sharm al-Sheikh, neun Monate später töteten drei Selbstmordattentäter in Dahab 24 Menschen. Eilat wurde erstmals im Januar 2007 angegriffen, ein Selbstmordattentäter tötete drei Menschen. Im April und im August vorigen Jahres von der Sinai-Halbinsel auf Eilat abgeschossene Raketen verfehlten ihr Ziel, in der benachbarten jordanischen Stadt Aqaba starb ein Taxifahrer.

Seit 2004 kam es immer wieder zu Razzien, Massenverhaftungen und Folterungen. Einem Bericht von Human Rights Watch zufolge wurden nach den Anschlägen in Taba und Sharm al-Sheikh 2 500 Menschen verhaftet. Es gab einige Verurteilungen angeblicher Täter, die jedoch auf durch Folter erzwungenen Geständnissen beruhten. Aufgeklärt wurden die Terroranschläge bis heute nicht.
»Die Informationen deuten darauf hin, dass die terroristischen Attentate in Dahab von Sinai-Beduinen begangen wurden«, sagte 2006 der damalige ägyptische Innenminister Habib al-Adly, der nun inhaftiert ist. Beduinen im ursprünglichen Sinn des Wortes, also nomadisierende Viehzüchter, gibt es kaum noch. Ressentiments gegen »Kameltreiber« hingegen gibt es nicht nur im Westen. Die Bewohner des Sinai galten als unpatriotisch, da viele vor der Rückgabe der Halbinsel im Jahr 1982 mit Israel kooperiert hatten und danach mit israelischen Touristen kifften. Auch ein Hang zur Kriminalität wurde ihnen unterstellt.
Schätzungsweise 90 Prozent der »Sinai-Beduinen« arbeiten im Tourismussektor, doch vom Regime Mubaraks protegierte Geschäftsleute verdrängten sie oft aus lukrativen Positionen. Rekruten für jihadistische Gruppen gab es zweifellos, und vermutlich helfen einige Ortskundige den Terroristen gegen Bezahlung. Doch die große Mehrheit der Bevölkerung des Sinai hat schon aus ökonomischen Gründen ein Interesse an der Terrorbekämpfung. Statt sie für den Kampf gegen den Jihadismus zu gewinnen, hat das alte Regime sie terrorisiert. Der zweite Faktor, der die Unsicherheit vergrößert, ist die Korruption. Immer wieder sind unterbezahlte Polizisten oder unter erbärmlichen Bedingungen lebende Soldaten bereit, sich bestechen zu lassen.

Den Verlust an Kontrolle über die Sinai-Halbinsel hat das alte Regime zu verantworten. Ob sich nun etwas ändert, ist unklar. Barak verhandelt mit den gleichen Generälen wie zuvor. Anders als unter Mubarak wird aber auf den Straßen sichtbar, dass eine antiisraelische Haltung in Ägypten weit verbreitet ist. Die Demonstrationen vor der israelischen Botschaft sind bislang vergleichsweise klein, doch fühlen sich auch viele Gruppen der Demokratiebewegung dem »Kampf gegen den Zionismus« verpflichtet.
Durch die arabischen Revolten wurde der israelisch-palästinensische Konflikt in den Hintergrund gedrängt. Dies zu ändern und zugleich eine ägyptisch-israelische Konfrontation herbeizuführen, könnte das Ziel der Attentäter von Eilat gewesen sein. Zumindest in den Wochen vor der Ausrufung eines palästinensischen Staates dürfte auch die Hamas, die überdies ihre Bündnispolitik zu überdenken scheint (siehe Seite 15), kein Interesse an einer Eskalation gehabt haben. Davon scheint auch das israelische Militär auszugehen, das im Gaza-Streifen fast ausschließlich Stellungen kleinerer Terrorgruppen angriff.
Eine kleine Organisation, die als ideologisch motivierte Söldnertruppe für eine ausländische Macht aktiv ist, muss keine diplomatische Rücksicht nehmen. Die PRC gelten als Verbündete der Hizbollah und somit des Iran. Vor allem die Machthaber des Iran und Syriens wünschen sich die alte Zeit zurück, als man unter »dem Nahost-Konflikt« ganz selbstverständlich die Auseinandersetzung zwischen Israel und den Palästinensern verstand und Demokratisierungsforderungen mit dem Verweis auf die notwendige Einheit im »Kampf gegen den Zionismus« zurückweisen konnte.
Am Sonntag hat die Hamas im Gaza-Streifen einen Waffenstillstand verkündet, in Kairo verhandelt eine israelische Delegation mit dem SCAF. Da derzeit wohl sogar die Hamas eine Beruhigung der Lage wünscht, dürfte der Konflikt abflauen. Allerdings ist deutlich geworden, wie leicht es auch nach der ägyptischen Revolution ist, die alten Ressentiments abzurufen.