Die NPD will in Mecklenburg-Vorpommern wieder in den Landtag einziehen

Die kümmern sich

Bürgernah und rechtsextrem – mit dieser Strategie versucht die NPD in Mecklenburg-Vorpommern, erneut in den Landtag einzuziehen.

Auf dem Wochenmarkt in Boizenburg muss sie nicht lange das Gespräch suchen. Die Besucher sprechen sie einfach an. Aufmerksam hört die grauhaarige Frau im grauen Kostüm zu, fragt nett nach und antwortet höflich. An manchen Ständen wird sie mit der Wahlwerbung in der Hand wohlwollend begrüßt. Man kennt sie.
Ihr Bild hängt in Boizenburg rund um den Markt am Rathaus. Doch sie ist nicht nur wegen des Wahlplakats mit der Aufschrift »Marianne Pastörs. NPD. Müttergehalt durchsetzen« bekannt. Sie ist die Frau des NPD-Fraktionsvorsitzenden und Spitzenkandidaten Udo Pastörs und sitzt für die NPD in der Stadtvertretung in Lübtheen. In Ludwigslust tritt sie zur Landtags- und Kommunalwahl in Mecklenburg-Vorpommern an. »Unsere Heimat – Unser Auftrag« ist der Wahlslogan der Partei, den sie auf dem Markt ebenso vermitteln will wie das Wahlversprechen: »Wir bleiben hier. Wir packen an.«

Die NPD hofft, bei den Wahlen am Sonntag den Wiedereinzug in den Landtag zu schaffen. In aktuellen Umfragen liegt die Partei bei fünf Prozent. »Ich persönlich bleibe bei meiner Prognose von acht Prozent«, sagt Udo Pastörs. Er bemüht sich, auf dem Markt in Boizenburg als »Kümmerer« zu erscheinen. An einem Bäckereiwagen steht er, das graue Jackett ausgezogen, und unterhält sich mit einem Marktbesucher. Im Plauderton redet er von der »unsicheren Rente« und der »steigenden Zuwanderung«. Die älteren Herren nicken, ein junges Paar mit Kind stimmt ebenso zu. Er trifft offensichtlich den Ton, der gefällt.
Dass der Vorsitzende der sechsköpfigen Landtagsfraktion auch anders kann, war in der Vergangenheit oft zu erleben: Im Parlament, das für ihn eine »Theaterbude« ist, beklagte er den »einseitigen Schuldkult«; auf der Straße forderte er, »die Demokratenfratzen« einer »gerechten Strafe« zuzuführen. Im Fernsehen schwärmte er von Adolf Hitler: »Er ist ja ein Phänomen gewesen, dieser Mann, militärisch, sozial, ökonomisch.« Auf Parteiveranstaltungen zeterte er über die »Judenrepublik« und »türkische Männer mit ihren Samenkanonen«.
Seit Jahren versucht der NPD-Verband in Mecklenburg-Vorpommern, den der Landtagsabgeordnete Stefan Köster anführt, sich bürgernah zu geben, ohne seine nazistischen Grundsätze abzumildern. »Deutscher Weg, sächsischer Weg? Ach, wir verbinden diese Konzepte«, sagt Köster, der auch am Bäckereiwagen steht. Sowohl das Papier des Bundesvorstands in Berlin, in dem vor einer moderaten Parteilinie gewarnt wird, als auch das Strategiepapier der Landtagsfraktion in Sachsen, in dem von einer allzu extremen Politik abgeraten wird, hätten sich »im Alltag, in der Praxis erledigt«, findet er.
Dass das aus »25 Standpunkten« bestehende Wahlprogramm seines Verbands an das 25-Punkte-Programm der NSDAP erinnert, sei Köster schon bewusst gewesen. »Aber 23 oder 26 Punkte – da hätte der Wähler doch gedacht, das sei alles willkürlich«, sagt er. Im Programm und auf den Wahlplakaten verheimlicht die Partei ihre politischen Absichten nicht. In sechsstelliger Zahl wurden die Plakate »Sei kein Frosch – wähl’ deutsch« oder »Kriminelle Ausländer raus« nach Angaben des Landesvorsitzenden verteilt.

»200 000 Euro nutzen wir für den Wahlkampf«, sagt Köster. 2006 waren es 330 000 Euro. Weniger Geld wegen Differenzen zwischen dem NPD-Bundesvorsitzenden Udo Voigt und Udo Pastörs, der gegen Voigt als Bundesvorsitzender kandidierte? »Nein, die Bundespartei, der Bundesvorsitzende unterstützen uns«, versichert er. Am Milchkaffee nippend fügt Köster hinzu: »Wir sind hier angekommen, verankert.«
Die NPD hat sich in enger Zusammenarbeit mit Kameradschaften tatsächlich fest in der Region Boizenburg und Ludwigslust verankern können, so wie auch in der Region Uecker-Randow und Anklam, wo sie 2006 ihre besten Wahlergebnisse erzielte. Udo Pastörs betont gern, dass »der gemeinsame Wille« die Zusammenarbeit bestimme. Ein guter Platz auf der Landesliste wurde dem Kameradschaftskader David Petereit zugebilligt.
»Geht’s gut?« fragt ein Mann auf dem Markt in Boizenburg. »Ja, danke, grüß’ schön!« antwortet Köster. Dann hebt er hervor: »Wir werden im Alltag nicht ausgegrenzt, nicht angefeindet.« Ganz kinder- und elternfreundlich gibt sich die NPD in Anklam. Zum Schulbeginn lud der NPD-Landtagsabgeordnete Michael Andrejewski dort zur Veranstaltung »Diäten für Kinder«. Auf dem Fest – mit Hüpfburg, Kaffee- und Kuchenstand – verteilte die NPD Schulmaterial, das die Partei von der letzten Erhöhung der Abgeordnetendiäten gekauft hatte.
Andrejewski, der angibt, Hartz-IV-Empfänger rechtlich zu beraten, tritt in einem Wahlwerbespot vor dem »Sonnenblumenhaus« in Rostock-Lichtenhagen auf. 1992 belagerte ein Mob tagelang die Flüchtlingsunterkunft und griff die Menschen in dem Haus unter anderem mit Molotowcocktails an. »Was in Lichtenhagen passiert ist«, sagt der nicht bloß in der NPD geschätzte Kommunalpolitiker in dem Spot, sei »ein schwacher Vorbote von dem, was noch folgen« werde.

Im Landkreis Uecker-Randow kandidiert Tino Müller für die Partei. Der Slogan »Gegen Blitzerabzocke« prangt dort auf manchen Plakaten, »Poleninvasion stoppen« auf anderen. In den vergangenen Monaten hetzte Müller, der wie Andrejewski erneut kandidiert, gegen »polnische Straftäter«. Kürzlich lieferte die Firmenpolitik der Torgelower Eisengießerei der NPD einen willkommenen Anlass, ihre antipolnische Propaganda zu verbreiten. Der Betrieb möchte zum Oktober etwa 160 Angestellte, größtenteils Zeitarbeiter, entlassen. Mehr als »150 deutsche Arbeiter« müssten für »polnische Fremdarbeiter« gehen, sagte Udo Pastörs während einer Kundgebung vor dem Werk unter Beifall. »Das ist Globalisierung pur!« Nur die NPD stelle sich dagegen. Beim anschließenden Marsch unter dem Motto »Fremdarbeiter stoppen« reihten sich auch Bürger ein.
»Braune malen nur Schwarz. Boizenburg bleibt bunt.« Ein Transparent mit dieser Aufschrift hängt derzeit am Rathaus in der Stadt. Marianne Pastörs geht dennoch ganz gelassen über den Markt, mit NPD-Broschüren in der Hand. »Der Wahlkampf macht Spaß«, sagt Köster.