Sarkozy feiert »seinen« Sieg

Mein Krieg, dein Krieg

Präsident Sarkozy feiert sich als Sieger. Die Intervention in Libyen war nicht nur für Frankreich eine »Zukunftsinvestition«.

Nun steht Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, neben dem britischen Premierminister David Cameron, als Sieger der am 19. März begonnenen militärischen Intervention in Libyen da. »Der Krieg des Nicolas Sarkozy« titelte die Pariser Abendzeitung Le Monde, und kurz danach zitierten Medien im vertraulichen Kreis gesprochene Worte, wonach Sarkozy tatsächlich von »meinem Krieg« gesprochen habe und davon, dass »ich ihn (Gaddafi) ins Gras beißen lassen werde«.
Er kann sich dazu beglückwünschen, dass ihn auch wesentliche Teile der Opposition im Parlament in dieser Haltung unterstützen: Die sozialdemokratische Parteivorsitzende Martine Aubry erklärte am Montag voriger Woche ausdrücklich, sie sei »froh, dass Frankreich diese Initiative ergriffen hat«. Der ehemalige Kulturminister Jack Lang sah die Bedeutung seines Landes gestärkt und nach Ansicht von Außenminister Alain Juppé ist das Ansehen Frankreichs auch dadurch gewachsen, dass die internationale Libyen-Konferenz in dieser Woche auf seine Anregung hin in Paris stattfindet.

Juppé bezeichnete das Engagement Frankreichs bei der militärischen Intervention wörtlich als »Zukunftsinvestition«. Schon unter Gaddafi gehörten Italien und Frankreich neben Deutschland zu den größten Abnehmern libyschen Öls. Italien und Frankreich machen sich nun Hoffnungen, künftig bei der Vergabe neuer Verträge im Vorteil zu sein. Der Nationale Übergangsrat der bisherigen Rebellen hat erklärt, »befreundete Länder« würden bei der Verteilung von Aufträgen und Geschäftskontakten bevorzugt bedient. Dies könnte auf Kosten vor allem der deutschen, chinesischen und russischen Wirtschaft gehen, auch wenn derzeit davon ausgegangen wird, dass die bestehenden Verträge zunächst beibehalten werden.
Dass die militärische Intervention nun so endet, war noch vor wenigen Wochen kaum abzusehen. So gut wie nichts schien zu verlaufen wie ursprünglich geplant. Präsident Sarkozy wollte bis zum französischen Nationalfeiertag am 14. Juli entweder eine Kapitulation, die militärische Niederlage oder aber die gezielte Tötung Muammar al-Gaddafis verkünden können, doch nichts davon trat ein. Schon in den Tagen davor hatte eine offene Debatte über die Änderung der Kriegsziele begonnen. Am 10. Juli hatte Frankreichs rechtskonservativer Verteidigungsminister Gérard Longuet erklärt, man könnte sich eventuell auch damit zufrieden geben, dass »Gaddafi in ein anderes Zimmer seines Palasts einzieht und einen anderen Titel annimmt«. Ein Rückzug der Alliierten sei dann möglich, wenn es zu einem »innerlibyschen Dialog« komme. Man schien sich also darauf einzustellen, dass entweder Gaddafi oder jedenfalls seine Familie einen Teil ihrer Macht behalten würden.
Die Zuspitzung der Situation in Libyen hatte in der vergangenen Woche erstmals zu starken Aktivitäten von entschiedenen Interventionsgegnern in Frankreich und anderen Ländern geführt. Seit dem Frühjahr hatte sich vor allem die politische Linke differenziert zu positionieren versucht: Einerseits war die Ablehnung des Gaddafi-Regimes weitgehend Konsens. Auf der anderen Seite wurde die konkrete militärische Intervention im Laufe der Wochen zunehmend kritisiert: Anfänglich war das offizielle Ziel der UN-Resolution 1 973 vom 16. März, nämlich Zivilisten vor Gaddafis Repressionstruppen zu schützen, noch weitgehend positiv beurteilt worden. Doch da die Intervention sich von diesem ursprünglichen Anliegen immer weiter zu entfernen schien und zugleich die Anzahl auch von zivilen Toten stieg, gingen immer mehr Linke auf Distanz. Auch die gesellschaftliche Stimmung wandelte sich: Mitte März stimmten noch über 60 Prozent der befragten Französinnen und Franzosen der Intervention zu, drei Monate später erreichte die Zustimmung keine 50 Prozent mehr. Allerdings unterstützte kaum jemand das Gaddafi-Regime.
Solche Stimmen wurden dagegen in den vergangenen Tagen laut. Der für seine Verschwörungstheorien zum 11. September 2001 bekannt gewordene französische Publizist Thierry Meyssan hielt sich zusammen mit einem Begleiter in Tripolis auf, um – wie er schrieb – »die Wahrheit« statt der »Medienlügen der Nato« zu verbreiten. Diese bestehe darin, dass es ein internationales Komplott gebe, um auf Selbständigkeit bedachte Regierungen wie in Libyen und Syrien zu destabilisieren, zu zerstören und ihre Länder zu kolonisieren. Mitte voriger Woche zirkulierten dann über zahllose Mailinglisten weit über den französischsprachigen Raum hinaus Nachrichten, in denen in melodramatischem Tonfall eine akute »Lebensgefahr« für die beiden »unabhängigen Journalisten« beschworen wurde. Diese befänden sich im Hotel Rixos in Tripolis und würden von den Rebellen und der Nato mit dem Tode bedroht. Eine sehr sonderbare »Wahrheit«, denn zum selben Zeitpunkt wurden tatsächlich 30 westliche Journalisten in diesem Hotel festgehalten – jedoch von den Milizen Gaddafis. Das Gebäude befand sich nämlich auch nach der Einnahme des Zentrums von Tripolis zunächst noch in deren Einflussbereich.

Die Kampagne fand einen gewissen Widerhall in internationalistischen, aber insbesondere auch in panafrikanischen und afrikanisch-nationalistischen Kreisen in Europa. Dort wurde die Kritik an der Intervention in der vergangenen Woche ebenfalls immer lauter. Verstärkt wurde dies durch Nachrichten, dass schwarze Afrikaner von Rebellen misshandelt, gelyncht, gefoltert oder getötet worden seien. Die panafrikanische Internetpublikation Le Gri-Gri International publizierte am Montag auf ihrer Website mehrere Videofilme und Aufnahmen, die solche Szenen zeigen und für den Betrachter schwer erträglich sind. Wer genau für die dort zu sehenden Folter- und Lynchszenen verantwortlich ist, ist allerdings noch ungeklärt. Amnesty International kritisierte am Wochenende sowohl Gaddafis Truppen als auch Rebellenverbände dafür, dass sie Grausamkeiten und Menschenrechtsverletzungen begangen hätten.