Rubgy-WM in Neuseeland

Ganz in Schwarz

Bei der Rugby-WM im eigenen Land rechnen sich die neuseeländischen All Blacks gute Chancen auf den zweiten Titelgewinn aus.

Wenn am Freitag in Auckland um 20.30 Uhr Ortszeit das Eröffnungsspiel der diesjährigen Rugby-WM der Männer zwischen Gastgeber Neuseeland und Außenseiter Tonga angepfiffen wird, werden Millionen Menschen weltweit vor den Fernsehgeräten mitfiebern. Das Turnier ist nach den Olympischen Spielen und der Fußball-WM der Männer das drittgrößte Sportereignis der Welt.
Trotz vorab geäußerter Bedenken, ob das kleine Land im Südpazifik ein solches Großereignis überhaupt bewältigen könne, geben sich die Verantwortlichen zuversichtlich. Sie rechnen mit rund 1,4 Millionen verkauften Tickets – nicht eben wenig in einem Land mit gerade einmal knapp über vier Millionen Einwohnern.
Hierzulande bekommt man von der Aufregung über die Rugby-WM recht wenig mit. Während Rugby in Deutschland ein Nischendasein führt, ist es in vielen anderen Ländern eine der wichtigsten Publikumssportarten. Das gilt vor allem für die britischen Inseln und viele ehemalige britische Kolonien – rund zwei Drittel der Teams, die an der WM-Endrunde teilnehmen, kommen aus Ländern, die in eine der beiden Kategorien fallen. Und auch bei den restlichen vertretenen Nationen geht die Geschichte des Sports in dem jeweiligen Land fast immer auf britisches Engagement zurück. Egal ob in Paris, Genua oder Buenos Aires – stets waren es junge Briten, die das Spiel einführten. Die einzigen im Turnier vertretenen Ausnahmen sind Georgien und Rumänien, wo das Spiel jeweils über Frankreich ins Land kam.
Nirgendwo jedoch ist Rugby so populär wie in Neuseeland. Die neuseeländische Nationalmannschaft, die traditionell in schwarzen Trikots spielenden All Blacks, sind nicht nur berühmt dafür, vor jedem Spiel den Haka, einen Kriegstanz der Maori, aufzuführen. Sie gelten auch als das stärkste Team der Welt und sind entsprechend bei den Wettbüros klarer Favorit auf den diesjährigen Titelgewinn. Dabei lief die Vorbereitung des Teams um Kapitän Richie McCaw und Defensivstar Dan Carter alles andere als gut. Beim diesjährigen Tri Nations, dem jährlich in einer Serie von Hin- und Rückspielen ausgetragenen Turnier zwischen Neuseeland, Australien und Südafrika, mussten die All Blacks sich ihren australischen Nachbarn geschlagen geben und verloren sogar ihre letzten beiden Partien. Dabei handelte es sich jedoch um Auswärtsspiele – bei der WM im eigenen Land rechnet man sich einen klaren Heimvorteil aus.
Wenn überhaupt ein Team den erwarteten Siegeszug der Gastgeber stoppen kann, dann sind es – da sind die Experten sich einig – die Wallabies, das Auswahlteam Australiens. Mit Will Genia verfügt die Mannschaft über den wahrscheinlich besten Halfback der Welt und dank des Erfolgs bei den Tri Nations zusätzlich über jede Menge Selbstbewusstsein.
Das Team Südafrikas, besser bekannt als Springboks, hat bei dem Dreiländerwettkampf dagegen enttäuscht. Was wohl aber auch an dem Trainer Peter de Villiers lag, der sich entschieden hatte, seine Schlüsselspieler für die WM zu schonen, schließlich ist man Titelverteidiger.
Die einzigen anderen Mannschaften mit realistische Chancen auf die Weltmeisterschaft sind England, das in diesem Jahr die Six Nations, das Gegenstück der Tri Nations in der nördlichen Hemisphäre, gewinnen konnte, und Frankreich, das bei diesem Turnier den zweiten Platz belegte. Argentinien, der einzige Vertreter Südamerikas bei der WM, verfügt zwar, was die Einzelspieler angeht, über eines der besten Teams der Welt, doch haben die Pumas wie in den Vorjahren ein Problem damit, aus all den Athleten, die ihr Geld in den Profiligen Frankreichs und Englands verdienen, eine funktionierende Mannschaft zu formen – und entsprechend bestenfalls Außenseiterchancen auf den Titel. Bei allen anderen WM-Teams kann das Ziel realistischerweise nur das Überstehen der Gruppenphase sein. Das gilt in diesem Jahr auch für das irische Team, in dem traditionell Spieler aus der Republik Irland und dem britischen Nordirland gemeinsam antreten. So groß die Integrationskraft des Rugbysports auf der grünen Insel ist, so schlecht lief auch die Vorbereitung des Teams, das ohne einen einzigen erzielten Testspielsieg gen Südpazifik reist.
Eine deutsche Mannschaft wird bei dem Turnier nicht antreten. Dabei war die Auswahl des Deutschen Rugby-Verbandes dieses Mal so nah an der Qualifikation wie noch nie zuvor. Was in Wahrheit allerdings auch nur heißt, dass sie erst in der letzten Qualifikationsrunde antreten musste und dort mit zehn Niederlagen in zehn Spielen sang- und klanglos unterging. Die chronische Erfolglosigkeit des deutschen Rugby dürfte ein Grund dafür sein, dass der Sport hierzulande außerhalb von Heidelberg, das alleine fast die Hälfte der zehn Bundesligateams stellt, nur geringe Bedeutung hat.
Ganz anders sieht es in Neuseeland aus. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Gastgeber eines der beiden Teams stellen werden, die am 23. Oktober im 60 000 Zuschauer fassenden und bereits ausverkauften Eden Park in Auckland das Finale bestreiten werden. Alles andere wäre eine große Enttäuschung für die All-Black-Fans, von denen es viele gibt, Rugby ist schließlich unangefochten die bei weitem beliebteste Sportart des Landes. Daran konnte auch der Achtungserfolg der Fußballnationalmannschaft bei der WM der Männer in Südafrika im vergangenen Jahr, als das Team zwar in der Vorrunde ausschied, dabei jedoch ungeschlagen blieb, nichts ändern.
Ganz anders sah der Auftritt der All Blacks bei der WM vor vier Jahren aus. Damals hatte die Mannschaft die Gruppenphase souverän und ungeschlagen als Gruppenerster überstanden. Und war anschließend bereits im Viertelfinale gegen den damaligen Gastgeber Frankreich ausgeschieden. Als klarer Favorit ins Turnier gegangen, hatten ein später Versuch von Yannick Jauzion und die anschließende Erhöhung per Kick durch Jean-Baptiste Elissalde alle Hoffnungen zunichte gemacht. Entsprechend groß ist nun der Druck auf Team Schwarz: Zum einen wollen die Spieler das schlechteste Abschneiden eines neuseeländischen Teams überhaupt bei einer WM vergessen machen, zum anderen das begeisterte Heimpublikum nicht enttäuschen. Mit einem zweiten Weltmeistertitel würde man dann auch endlich mit den großen Rivalen aus Australien und Südafrika gleichziehen. Die Tatsache, dass die beiden anderen großen Rugby­nationen der südlichen Hemisphäre es zusammen auf mehr WM-Titel als die Neuseeländer bringen, obwohl diese doch bei den Tri Nations mit zehn Titeln gegenüber jeweils nur dreien der beiden anderen so deutlich vorne liegen, ist aus neuseeländischer Sicht schließlich ein Makel, der dringend bereinigt werden muss.