Jihadist go home!

Zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gilt der Jihadismus wieder als alleiniges Problem der isla­mischen Welt.

Es ist kein Wunder, dass die mediale Aufarbeitung der Anschläge vom 11. September 2001 anlässlich ihre zehnten Jahrestags bereits im Juni begann. Schließlich werden ja auch die Supermarktregale bereits zum Herbstbeginn mit Schokoladenweihnachtsmännern gefüllt, niemand will der letzte sein, und die Bilder von damals sind immer noch spektakulär. Eile war auch geboten, weil bereits nach dem Tod Ussama bin Ladens am 2. Mai vom Ende des »Jahrzehnts des Terrors« und einer »Post-9/11-Ära« die Rede war.
Das eigentliche Problem ist jedoch, dass der islamistische Terror nicht am 11. September 2001 begann. Vielmehr wurde an diesem Tag der Bevölkerung vor allem der westlichen Staaten klar, dass es sich um ein Problem handelt, das nicht nur die islamische Welt betrifft. Wer nach einem Datum sucht, das den Einstieg des Islamismus in die Weltpolitik markiert, muss zwei Jahrzehnte weiter in die Vergangenheit zurückschauen.
Geeignet wäre der 21. Juni 1981, der Tag, an dem im Iran die Regierung Abulhassan Banisadrs zurücktreten musste. Die Machtübernahme der Islamisten, die nach der Revolution ihre säkularen Mitstreiter Schritt für Schritt verdrängt hatten, war damit abgeschlossen. Oppositionelle waren bereits zuvor exekutiert worden, nun stieg die Zahl der Hinrichtungen rasant an. Im folgenden Jahr begann das iranische Regime, zunächst im Libanon, mit der Unterstützung ausländischer Terrororganisationen. Ein anderes bedeutsames Datum war der 6. Oktober 1981, der Tag des Attentats auf den ägyptischen Präsidenten Anwar al-Sadat. Der mit dem Anschlag verbundene Aufstand scheiterte, doch spielten die ägyptischen Jihadisten später eine bedeutende Rolle beim Aufbau von al-Qaida.
Etwas früher, ein genaues Datum ist hier nicht bekannt, entschloss sich die US-Regierung, im Kampf gegen die sowjetischen Truppen in Afghanistan ausgerechnet islamistische Organisationen zu unterstützen. Der Islamismus ist kein Produkt westlicher Intrigen, doch wie erfolgreich islamistische Bewegungen sind, hängt auch von der westlichen Politik ab. Der damalige US-Präsident Ronald Reagan bezeichnete die afghanischen Jihadisten als »mutige Freiheitskämpfer«, auf eine solche Idee käme heute wohl kein westlicher Politiker mehr. Dass die Taliban an der Macht in Afghanistan beteiligt werden sollen, ist jedoch in der Nato mittlerweile fast Konsens, Kritik am Bündnis des ägyptischen Militärrats mit den Islamisten ist nicht zu vernehmen, und in Somalia unterstützt die »internationale Gemeinschaft« den islamistischen Präsidenten Sharif Ahmed.
Malte Lehming, Kommentator des Tagesspiegel, steht nicht allein mit der Ansicht, es handele sich um »zunehmende Autoaggression«, wenn »die Attacken der Islamisten seit einiger Zeit vornehmlich gegen andere Muslime« gerichtet seien. Das war zwar seit dem Sturz Banisadrs immer so, doch in der »Post-9/11-Ära« verbreitet sich wieder die Ansicht, man könne islamistische Bewegungen im Interesse der Stabilisierung akzeptieren oder sogar unterstützen.