Philipp Röslers Besuch in Athen

Eulengroßtransport

Bei seinem Besuch in Athen hatte Philipp Rösler Vertreter der Solarindustrie im Gefolge und ein grandioses Gastgeschenk im Gepäck.

Die Redewendung von den Eulen und der griechischen Hauptstadt rührt daher, dass im antiken Athen Münzen mit dem Bild einer Eule geprägt wurden, des Wappentiers der Schutzgöttin Pallas Athene. Umgangssprachlich wurden sie als Eulen bezeichnet. Und da, jetzt der Treppenwitz der Geschichte, Athen damals reich war und es nach Meinung des Dichters Aristophanes auch »an Eulen nie mangeln werde«, sei es überflüssig, solche dorthin zu bringen. So wollte es wohl auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) bei seinem Kurztrip vergangene Woche halten. Er verzichtete im Reisegepäck auf jede müde Eule für den Staat, dem er zuvor aus wahltaktischen Gründen die Insolvenz nahegelegt hatte, und überreichte als Gastgeschenk lieber eine Porzel­lannachbildung des Brandenburger Tors. Was man getrost im antiken Sinne als Eulentransport deuten kann, denn das Einzige, woran es Griechenland nun eben nicht mangelt, sind marode, mit Nationalklimbim aufgeladene Baudenkmäler fragwürdiger Ästhetik. Und da soll der »Pleite-Premier« (Bild) sich ausgerechnet ein Brandenburger Tor auf den Sims seines Fensters mit Blick auf die Akropolis stellen? Der wird sich bedankt haben.
Die Wirtschaftsdelegation in Röslers Gefolge hatte so recht nichts zu tun, denn keiner mag mit dem Staat Geschäfte machen, solange der Herr Minister und seine Schutzbefohlenen der weltweiten Finanzindustrie eifrig an dessen Bankrott herumbasteln. Dabei war Rösler auf die schöne Idee gekommen, Vertreter der Solarwirtschaft mit nach Athen zu schleppen, denn, das weiß man ja auch aus der Bild-Zeitung: Griechenland ist ein Staat, in dem die Leute sich den lieben langen Tag die Sonne auf den Wanst scheinen lassen. Was liegt da näher, als aus der Not eine Tugend und schließlich noch ein bisschen Gewinn zu machen. Das meinte vermutlich das Bundeswirtschaftsministerium, als es darauf hinwies, das Wesentliche der Reise liege in der Symbolik. Denn welche Symbolik liegt sonst darin, wenn der oberste politische Wirtschaftsvertreter Deutschlands in ein Land reist, dessen Lage vor allem deswegen so prekär ist, weil die deutsche Wirtschaft sich zuvor daran gesundgestoßen hat: Zu wenig »wettbewerbsfähig« sind die Griechen auch wegen eines »deutschen Lohnniveaus, das im zivilisierten Teil Europas die Gewerkschaften auf den Plan riefe« (Titanic). Und das also den sagenhaften deutschen Exportüberschuss erst möglich machte, indem die Griechen und andere heutige Pleitekandidaten deutschen Firmen die Lager leer- und die Konten vollmachten. Finanziert wurde das mit Eulen aus Krediten von deutschen Banken, die wiederum die satt und reichlich geflossenen Zinsen nicht einmal in die eigenen Taschen steckten, sondern gleich wieder in irgendwelche kryptischen Finanztransaktionen investierten, mit denen – Insiderwissen, Baby! – munter auf die Pleite des griechischen Staates spekuliert wird, womit sich unterm Strich noch mehr verdienen lässt.
Man könnte die Symbolik, die in Röslers Besuch liegt, aber auch ganz anders verstehen: Dass der Vorsitzende einer vollständig heruntergewirtschafteten und bankrotten Partei ins vollständig heruntergewirtschaftete und bankrotte Griechenland reist – das ist ja, als trüge man Eulen nach Athen.