Angela Merkels Griechenlandpolitik

Am deutschen Wesen

Für ihr hartes Durchgreifen gegen Griechenland erntet Bundeskanzlerin Angela Merkel Zustimmung bei vielen Deutschen. Ihnen geht es in erster Linie nicht um das Geld, sondern um deutsche Überlegenheit.

Im Ausland genießt Angela Merkel zuweilen das Image des besonnenen und bescheidenen Mütterchens. Aufmerksamen Beobachtern der deutschen Innenpolitik gilt die Bundeskanzlerin dagegen als kühle Machtpolitikerin. Immerhin hat sie ihre Partei besser im Griff, als ihr einst zugetraut wurde. Dabei konnte sie sich in fast schon eleganter Weise die parteiinternen Widersacher nicht nur vom Leib halten, sondern sie auch weitestgehend ausschalten. Gleichmut und Understatement sind insofern wichtige Elemente von Merkels politischem Erfolgskonzept.
Die ehemalige FDJ-Agitatorin kann aber auch anders. Davon konnte sich die internationale Presse vergangene Woche in Brüssel und Cannes überzeugen. Erst brachte Merkel Europa in der Frage der Euro-Rettung auf ihren Kurs, schließlich griff sie, gemeinsam mit Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy, hart im neuerlichen Streit mit Griechenland durch. Mit seiner Ankündigung einer Volksabstimmung über die Sparmaßnahmen und Reformen habe der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou Europa »schockiert«, so der Tenor der deutschen Medien, und damit einen Euro-Austritt Griechenlands wahrscheinlicher denn je gemacht. Dies für sich ist eine politische Krise ersten Grades. Im fortwährenden Krisenzyklus gereicht es fast schon zur Gewohnheit.
Ungewöhnliche Verhältnisse erfordern bekanntlich ungewöhnliche Maßnahmen. Merkel »entsicherte ihren Revolver«, wie es die Welt umschreibt: Die zuletzt gewährten Milliardenzahlungen an Griechenland wurden umgehend gestoppt. Am Ende wurde das Referendum abgesagt und eine neue Regierung auf den Weg gebracht. Papandreou selbst steht vor dem Abtritt. Das sprichwört­liche Duo »Merkozy« hat ihn gestürzt. Zum Abschluss zeigte sich Merkel noch einmal tröstend mütterlich. Der scheidende Ministerpräsident habe »sein Land auf den richtigen Weg gebracht und dabei viele Widerstände überwinden müssen«, ließ sie wissen.
So viel Führungsstärke wird in Deutschland gewürdigt. Neuesten Meinungsumfragen zufolge ist Merkel in der Gunst der Wähler stark gestiegen. Die deutschen Interessen habe sie bestens vertreten, meinen viele Befragte, denen zuletzt »einfach der Kragen geplatzt wäre«, so Jörg Schönenborn vom WDR. 82 Prozent sind mittlerweile der Auffassung, Griechenland müsse die Euro-Zone verlassen, wenn es die Beschlüsse zur Euro-Rettung nicht akzeptiere. Der Inhalt der Beschlüsse steht natürlich nicht zur Diskussion.
»Will uns der Griechen-Premier verarschen?« fragte auch die Bild-Zeitung, die einen Zahlungsstopp und Griechenlands Rauswurf aus der Euro-Zone forderte. Mit den demonstrierenden »Pleite-Griechen« haben die Hetze-Deutschen dabei eigentlich einiges gemeinsam. Auch bei jenen wächst die Bereitschaft – und das hätte das Referendum manifestieren können –, auf den Euro zu verzichten, sie wollen die Hilfsgelder nicht. Dies jedoch, weil die entsprechenden Auflagen das Land unter anderem den deutschen Interessen unterwerfen würden. Damit hat man hierzulande jedoch weniger Probleme. »Griechen kuschen vor Angela Merkules«, triumphierte die Bild-Zeitung letztlich. Und solange das der Fall ist, zahlt man auch gerne.