Datenschutz und das Computerspiel »Battlefield 3«

Der Krieg auf deinem Computer

Eines haben die User von »Battlefield 3« schon verloren: die Kontrolle über ihre Daten. Die Plattform Origin überwacht die Nutzer der Spiele aus dem Haus Electronic Arts.

Eigentlich hätte man darüber diskutieren können, warum in dem ansonsten so auf Authentizität bedachten Spiel »Battlefield 3« amerikanische Soldaten mit Palästinensertüchern herumlaufen. Diese Frage ging jedoch neben der Debatte um den durch das Programm Origin verursachte Datenschutzskandal völlig unter.
Origin ist die Internet-Vertriebsplattform der Herstellerfirma Electronic Arts (EA). Kunden können von der Plattform gleichnamiges Programm, das früher »EA-Downloadmanager« hieß, kostenlos herunterladen und installieren, um direkt bei EA Spiele zu kaufen und herunterzuladen. Doch Origin bietet noch viel mehr. Patches, also Updates zum Bereinigen von Fehlern, erhalten die Kunden ebenfalls über die Plattform. EA benutzt das Programm im Gegenzug dazu, die Lizenzen der installierten Spiele auf ihre Gültigkeit zu überprüfen, um so Raubkopierer zu bekämpfen.
Das Spiel »Battlefield 3« setzt die Installation von Origin voraus, der Titel lässt sich ohne das Programm nicht nutzen. Bisher waren Spiele von EA auch ohne die Plattform benutzbar. Vorläufer von Origin gibt es schon seit dem Jahr 2005. Zunächst startete die Software als »EA-Downloader«, dann benannte man sie in »EA Link« um. Seit 2007 gab es den EA-Store und den EA-Downloadmanager, die als Paket installiert werden konnten und zusammenarbeiteten. In diesem Jahr bekamen die beiden ­Programme dann einen gemeinsamen Namen: Origin.
Um Origin installieren zu können, muss der Kunde per Mausklick einen Lizenzvertrag akzeptieren. EA räumt sich in diesem Lizenzvertrag das Recht ein, Hardware, Medien, Software und die Nutzung der Anwendungen auf dem Computer zu untersuchen und diese Informationen auch zu übertragen und zu verwenden. Es gilt mittlerweile als gesichert, dass Origin zur Erhebung dieser Daten die Festplatte oder Festplatten des jeweiligen Computers untersucht. Ob dabei auch die einzelnen Dateien inhaltlich durchsucht werden, ist jedoch nicht bekannt. Besonders pikant sind Berichte, nach denen die Software auch Verzeichnisse mit privaten Bildern und Steuerdaten durchsucht – sicherlich gehören die dort enthaltenen Informationen nicht zu den Daten, die man gerne an eine Spielefirma übermittelt wissen möchte.
Auf die Kritik von Usern und Datenschützern reagierte Electronic Arts lediglich mit der Bereitstellung einer neuen Version des Lizenzvertrages, in der einige Passagen geändert wurden. Die Software bleibt jedoch unverändert. Wer seine Privatsphäre schützen möchte, sollte »Battlefield 3« nicht spielen, schließlich muss das Origin-Programm auch weiterhin installiert werden, das dem Potential nach nichts anderes ist als die von einer amerikanischen Spielefirma programmierte Version des Bundestrojaners. Experten bezeichnen Origin bereits als Spyware – eine Einschätzung, die von EA nicht dementiert wird.
Doch das Problem der Spionagesoftware im Zusammenhang mit Computerspielen ist noch komplexer. Dass jetzt ausgerechnet »Battlefield 3« in die öffentliche Kritik gekommen ist, ist wohl einfach nur Pech für die Firma.
Computerspieler lassen sich schon seit über zehn Jahren ausspähen. Damals war es gerade erst seit kurzer Zeit möglich, bekannte Spiele über das Internet zu spielen. Man musste nicht länger mühsam mit mehreren Rechnern ein lokales Netzwerk einrichten, um gemeinsam oder gegeneinander einen der damals aktuellen Ego-Shooter spielen zu können. Mit der Veröffentlichung des auf dem Spiel »Half Life« basierenden »Counter-Strike« nahm die Zahl der Internet-Gamer rapide zu, und diese Zunahme der Nutzerzahlen brachte ein ganz neues Problem: Eine Menge der neuen User spielte nicht fair. Es war beispielsweise möglich, das Programm des Spiels so zu verändern, dass man Gegner etwa durch Wände sehen oder automatisch treffen konnte, obwohl man gar nicht richtig gezielt hatte. Weil so viele diese unfairen Cheats benutzten, entstand in der Spielercommunity so etwas wie Hass auf die sogenannten Cheater. Und es dauerte dann auch nicht lange, bis Gegenmaßnahmen ergriffen wurden.
In dieser Situation wurde mit »Punkbuster« ein Programm geschaffen, das Cheater erkennen und damit verhindern sollte, dass ein Teilnehmer unfair spielte. Das freudig aufgenommene Programm arbeitet ähnlich wie ein Virenscanner. Es überprüft Arbeitsspeicher und die Dateien der Spiele auf der Festplatte nach bekannten Cheats, also Veränderungen oder Erweiterungen des ursprünglichen Spiels. Punkbuster läuft genau wie das überprüfte Spiel auf den Computern der Spieler sowie auf dem Spiele-Server. Es bietet dem Betreiber des Servers sogar die Möglichkeit, unbemerkt von den Computern der Spieler Screenshots anzufordern, um zu überprüfen, ob die Graphik auch wirklich unverändert ist. Damit Punkbuster und das jeweilige Spiel nicht von anderen Programmen mit höherer Berechtigung manipuliert werden können, müssen beide mit Administratorrechten laufen. Zumindest war das am Anfang so, seit 2007 gibt es Punkbuster auch als Hintergrundservice, wodurch der Vergleich mit einem Virenscanner noch plausibler wird.
Anders als bei den Programmen, die zur Entdeckung von Schadsoftware dienen, hat der einzelne Nutzer aber bei den Überprüfungsprogrammen nicht die Auswahl zwischen mehreren Herstellern. Und gerade diese mögliche Auswahl ist wichtig, denn sie sorgt für Konkurrenz und somit eben auch dafür, dass kein Hersteller sich einen Imageverlust durch einen Datenschutzskandal leisten kann, ohne Gefahr zu laufen, seine Kunden zu verlieren. Bei den Anti-Cheating-Programmen und den Digital-Rights-Management-Programmen (DRM) gibt es diese Wahlmöglichkeiten nicht. Will man ein Spiel spielen, so ist man gezwungen, ein bestimmtes Programm zu verwenden.
Punkbuster wurde im Jahr 2000 von der Mehrzahl der Spieler gefeiert, die Lücke im Datenschutz wurde offenbar in Kauf genommen. Ein ungetrübtes Spielvergnügen ist für viele User eben zumindest kurzfristig sehr viel wichtiger als die Sicherheit der privaten Dateien auf dem Computer. Diese Bedrohung der Privatsphäre wird meist nur als sehr abstraktes Risiko wahrgenommen.
Spielehersteller sind daran interessiert, Raubkopien oder illegale Kopien zu verhindern. Dies versuchen sie mit Hilfe von DRM-Software zu erreichen. Dabei überschreiten sie regelmäßig die Grenzen, die ihnen der Datenschutz setzt. EA und der Fall »Battlefield 3« sind dafür nur ein Beispiel.
Doch bei aller Kritik muss man Electronic Arts eines zugute halten. Die Firma informiert ihre Kunden zumindest mit den Lizenzbedingungen bei der Installation darüber, was Origin sich an Rechten herausnimmt. Dass nur die wenigsten die AGB überhaupt lesen, ist den Herstellern natürlich bekannt. Solche Transparenz war in anderen Fällen nicht gegeben. Sony BMG fiel schon mehrmals dadurch auf, von Musik-CDs im Hintergrund und ungefragt Software auf PCs zu installieren, um Kopien zu verhindern. Mit DVDs verfuhr die Firma ebenso. Die DVD »Mr. & Mrs. Smith« installierte in Deutschland einen Rootkit im Hintergrund, der Skandal in der Computerwelt war groß. Rootkits sind Programmpakete, die mit Administratorrechten arbeiten und deshalb auf einem Computer alles tun dürfen, was der Besitzer des Rechners auch tun kann. Vor dem registrierten Administrator verbergen sie sich allerdings. Und das ist noch nicht alles: Apple behält sich bei I-Phones vor, auf die Telefone zuzugreifen und installierte Programme zu löschen. Das Prinzip gilt auch bei den Kindle-Lesegeräten von Amazon. So wurden bereits gekaufte Bücher von den Lesegeräten der Kunden entfernt, als sich herausstellte, dass Amazon keine Rechte an den Texten besaß. Anders als im Fall einer Spielesoftware kann allerdings nur der Hersteller der Geräte den Zugriff tätigen, also beispielsweise nicht der Verlag des E-Books oder der App.
Der Fall Electronic Arts zeigt, dass man die Lizenzbedingungen bei der Installation von Software immer lesen sollte, denn nur wenn man informiert ist, hat man auch eine Chance, selbst zu entscheiden, ob es das neue Spiel wirklich wert ist, die Kontrolle über den eigenen Computer und die auf ihm gespeicherten Daten abzugeben. Ein Spiel ist eben nur eine Freizeitbeschäftigung.