Rassismus gegen Asylbewerber im sächsischen Plauen

Einfach nur plauenhaft

Im sächsischen Plauen führte eine Schlägerei vor einer Diskothek, in die Asylbewerber verwickelt waren, zu fremdenfeindlichen Reaktionen. Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes stehen im Verdacht, schon zuvor an Angriffen auf Asylbewerber beteiligt gewesen zu sein.

Wer seine Jugend in einer Kleinstadt verbringen musste, kennt sie womöglich: Diskotheken wie das »N 1« im sächsischen Plauen. Hier treffen sich diejenigen, die noch zu jung sind, um in eine größere Stadt zu ziehen, und diejenigen, die den richtigen Zeitpunkt dafür verpasst haben. Orte wie dieser sind überall gleich: Es läuft »das Beste« aus den Charts von den Achtzigern bis heute, alle paar Wochen gibt es eine Striptease-Show und an einem Sommerwochenende ein Konzert im Freien. Der Männeranteil liegt bei etwa zwei Drittel, man betrinkt sich hemmungslos und grölt mit, was man kennt.

Das »Kennen« ist an solchen Orten von entscheidender Bedeutung. Nicht nur unbekannter Musik wird skeptisch begegnet, sondern vor allem unbekannten Menschen. Gehören diese nicht der weißen Mehrheit an, werden sie – sofern sie es überhaupt an den Türstehern vorbei geschafft haben – besonders kritisch beobachtet. Sprechen sie eine Frau an, dann heißt es, sie würden Frauen belästigen. Möchten sie mit jemandem einen Joint rauchen, dann heißt es, sie wollten Drogen verkaufen. Lassen sie es sich nicht gefallen, ständig von Halbstarken angerempelt zu werden, dann heißt es, sie würden Ärger machen.
So lief es scheinbar auch im Plauener »N 1«. Eine Gruppe von etwa 25 Asylbewerbern habe »seit längerem immer Ärger gemacht«, beklagte sich der Inhaber der Diskothek, Uwe Seidel, gegenüber der Lokalpresse. Deshalb, so wird Seidel weiter zitiert, habe man die Einlassregeln gegenüber »Ausländern« verschärft. Diese würden »von der Security keinen Zutritt mehr bekommen«. Vorausgegangen war Mitte Oktober eine Auseinandersetzung vor der Diskothek zwischen dem Sicherheitsdienst und einer Gruppe vermeintlicher Migranten, denen der Zutritt verwehrt worden war.
Den Hergang des Konflikts haben die Ermittlungsbehörden bisher noch nicht vollständig rekonstruiert. Als gesichert gilt, dass das Sicherheitspersonal waffenähnliche Gegenstände zur Hand hatte und die Gruppe erwartete. Auch die Abgewiesenen sollen zu Knüppeln und Steinen gegriffen haben. Ein 26jähriger Tunesier wurde bei der Auseinandersetzung schwer verletzt und musste in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Auch zwei Türsteher sollen Verletzungen davongetragen haben. Scheiben und Türen gingen zu Bruch.

Spitzenstadt.de, das Online-Magazin der Stadt Plauen, titelte zwei Tage später: »Asylbewerber überfallen Disco in Plauen – drei Verletzte«. Ein Großteil der Lokalpresse schloss sich dieser Beurteilung an und ließ den Inhaber der Diskothek mit seiner Version der Geschichte zu Wort kommen. Seidel erzählte dabei, dass die betreffenden Personen schon in den Wochen zuvor aufgefallen seien, etwa durch Drogenverkauf und Belästigung von Frauen. Und Mike Kilian, der Geschäftsführer der Diskothek, behauptete im Vogtland-Anzeiger, dass Migranten seit einiger Zeit Passanten »anpöbeln« würden, »vermutlich grundlos und aus Langeweile«. Zahlreiche solcher Übergriffe auf Deutsche habe er mitbekommen. Die Beratungsstelle für Betroffene rassistischer Gewalt in Chemnitz und die Kontaktstelle gegen Rechts in Plauen waren die einzigen, die die diskriminierenden Äußerungen und die Maßnahmen der Diskothek verurteilten.
Die Schlägerei vor der Diskothek scheint nur Teil eines größeren Problems zu sein. Im Zuge des regionalen Medienrummels wurden allmählich weitere Informationen darüber bekannt, was an diesem Tag in Plauen geschah. So soll es bereits am Nachmittag im Stadtzentrum mindestens drei Angriffe auf Personen gegeben haben, die anscheinend nicht deutsch waren. Mindestens ein Asylbewerber wurde dabei verletzt. Zu den Angreifern sollen Personen gehört haben, die sich am Abend gemeinsam mit Mitarbeitern des Sicherheitsdiensts vor dem »N 1« befanden. Und laut Pressestelle der Polizeidirektion Südwestsachsen war mindestens einer der Angreifer am Nachmittag ein Angestellter der Sicherheitsfirma »C.O.P.S.«
Eben diese Firma stellt nicht nur das Sicherheitspersonal für die Diskothek, sondern auch für die Stadtgalerie, wo sich die Übergriffe am Nachmittag ereignet haben sollen. In einer Pressemitteilung der »Antifaschistischen Gruppen des Vogtlandes« heißt es zudem, dass Mitarbeiter jenes Sicherheitsdiensts in der Vergangenheit schon öfter an Angriffen auf Migranten beteiligt gewesen seien. Der Geschäftsführer der Firma, Heiko Unger, wollte sich gegenüber der Jungle World vorerst nicht zu den Vorwürfen äußern.

Die sächsische NPD nutzte das Thema sogleich für ihre Hetze. Von einem »neuerlichen Exzess von Ausländergewalt in Plauen« ist die Rede. Der Fraktionsvorsitzende der NPD in Sachsen, Holger Apfel, rief persönlich zu einer Kundgebung gegen »Ausländerkriminalität« in Plauen auf und erklärte in einer Stellungnahme: »Wenn sich der Staat hier immer weiter zurückzieht, brauchen sich die Verantwortlichen nicht zu wundern, wenn die Menschen vor Ort irgendwann das Heft des Handelns selbst in die Hand nehmen und sich gegen Ausländergewalt zur Wehr setzen.« Etwa 140 Neonazis folgten am letzten Oktober-Wochenende seinem Aufruf. Der NPD-Landtagsabgeordnete Arne Schimmer, dessen »Bürgerbüro« sich in Plauen befindet, kündigte indessen die Verteilung von Flugblättern zum Thema an. Diese dürften dann wohl im Nebenzimmer von Seidels Büro gestapelt werden. Denn dessen »Number One Event GmbH« ist unter der gleichen Adresse wie das NPD-Bürgerbüro zu erreichen. Einer Auskunft der örtlichen Antifa zufolge ist Seidel mit seiner Firma, von der die Diskothek betrieben wird, auch der Vermieter der NPD.
Die Kontaktstelle gegen Rechts berichtet von einer angespannten Atmosphäre, die seit den Ereignissen der vergangenen Wochen in der Stadt herrsche. Dabei stoße die NPD mit ihrer rassistischen Hetze nicht nur auf Ablehnung. René Weber von der Kontaktstelle sagte der Jungle World: »Man fragt sich die ganze Zeit: Was kommt als nächstes?« Die Menschen in der Sammelunterkunft für Asylbewerber scheinen sich diese Frage auch zu stellen. Sie haben Angst vor rassistischen Übergriffen und wechseln sich nachts ab, um Wache zu halten.