Nie wieder hoffen

Der Kulturprekäre vom Typus Musiker ist ein hoffnungsfroher Mensch. Auch wenn es mal schlecht läuft, was eigentlich immer der Fall ist, werkelt er unverzagt weiter. Denn er glaubt zu wissen: Beim nächsten Mal läuft’s besser. Mit der nächsten Platte, auf der nächsten Tour, in der nächsten Band, auf dem nächsten Label, ja, da geht es dann bestimmt voran und aufwärts, da gelingt sicher der große Wurf, dann kommt er endlich: der Durchbruch. Geht gar nicht anders. So hofft er vor sich hin, der Musiker, bis er irgendwann schnurstracks auf die 40 zustrauchelt und sich dabei erwischt, wie er immer noch Verstärker, Boxen, Gitarren, Bässe, Becken, Trommeln und andere Instrumente, deren Wert die Summe der Gagen, die er jemals erhalten hat locker übersteigt, die Treppen eines heruntergekommenen Hinterhof-Juz hinauf- oder hinunterschleppt, um vor einem mickrig kleinen und zudem nur mäßig interessierten Häuflein junger Menschen zu spielen, die ihn aus Respekt vor seinem Alter siezen, und um schließlich mit Bier, einem kümmerlichem Handgeld und den Sätzen abgespeist zu werden: »Normalerweise ist es hier immer voll. Ich weiß auch nicht, was heute los war. Na ja, beim nächsten Mal läuft’s besser.« Von der Punk-Band No Means No stammt der Ratschlag: »Stay home, read a book!« Er ist nicht nur für ihr Publikum wertvoll, sondern auch für kulturprekäre Musiker: Lektüre statt Lautstärke, Couch statt Konzert. Und vor allem: die Hoffnung draußen lassen.