Die Schwäche der Linken in der Euro-Krise

You always walk alone

Obwohl nicht einmal mehr die Anleger an eine Lösung der Euro-Krise glauben, folgen die meisten Europäer brav den politischen Vorgaben des Establishments.

Bislang nimmt nur der Terminplan von EU-Gipfeltreffen Rücksicht auf die Öffnungszeiten der Börsen. Doch es trifft sich gut, dass auch Wahlen meist, wie in Spanien, am Sonntag stattfinden, so dass »die Märkte« das Ergebnis würdigen können. Die Hoffnung, dass der erwartete Wahlsieg Mariano Rajoys und der konservativen Volkspartei (PP) das erwünschte »Vertrauen« schaffen werde, erfüllte sich allerdings nicht. Am Montag sanken nach der Eröffnung der Börsen die Kurse, auch in Madrid, der Eurokurs fiel, der Zinssatz für spanische Staatsanleihen stieg.
Auch andere Faktoren spielten eine Rolle, vor allem das Scheitern der Verhandlungen zwischen Republikanern und Demokraten über Einsparungen im US-Haushalt. Doch scheinen die Investoren zumindest so viel von Wirtschaft zu verstehen, dass sie nicht mit einem Aufschwung rechnen, wenn ein Land mit Sparmaßnahmen in die Rezession getrieben wird. Der zukünftige Ministerpräsident Rajoy will die Steuern für kleine und mittlere Unternehmen senken und den Arbeitsmarkt weiter »flexibilisieren«, eine Minderung der Staatseinnnahmen und ein Anstieg der Erwerbslosenrate, die mit mehr als 20 Prozent bereits jetzt die höchste in einem Industriestaat ist, sind die zwangsläufigen Folgen.
Die Anleger glauben nicht, dass die zu ihren Ehren und in ihrem Namen durchgesetzten Sparmaßnahmen die Krise beenden werden. Warum glauben es die Spanier? Sie haben sich bereitwillig für die konservative Version der bereits von dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero betriebenen »alternativlosen« Politik entschieden. Die Wahlbeteiligung war mit 71 Prozent zwar vier Prozent niedriger als im Jahr 2008, doch von weit verbreiteter Enthaltung oder gar einem bewussten Boykott des bürgerlichen Politikbetriebs kann nicht die Rede sein. Im September vergangenen Jahres fand immerhin noch ein Generalstreik statt, im Frühjahr schlugen die »Empörten« in mehr als 60 Städten ihre Zelte auf, doch scheinen die Proteste ohne größere Wirkung geblieben zu sein.
Einzig in Griechenland, dessen Bevölkerung am härtesten von den Sparmaßnahmen betroffen ist, regt sich nennenswerter Widerstand. In Portugal blieb der Protest schwach, in Irland kam er gar nicht erst auf. Die bislang schwerste Krise der EU findet weitgehend ohne die Linke statt. Bei den Aktionen der »Occupy«-Bewegung in Europa wird nicht einmal die Teilnehmerzahl der globalisierungskritischen Proteste erreicht, und das bereits damals nicht sonderlich hohe politische Niveau wird noch unterboten.
Die Schwäche der Gewerkschaftsbewegung auch in traditionell streikfreudigeren Staaten und die Enttäuschung über sozialdemokratische Regierungen, die oft die härtesten Sparmaßnahmen durchsetzten, haben zu dieser Perspektivlosigkeit beigetragen. Doch vor allem scheint die von den wirtschaftsliberalen Verhältnissen geförderte Vereinzelung nun auch die Proteste zu prägen, wie sich an der »Occupy«-Bewegung zeigt. Gefragt ist der individuelle Meinungsträger, mag die ­Parole auf dem selbstgemalten Plakat auch noch so abstrus sein, Gewerkschaftsfahnen hingegen werden ungern gesehen. Hauptsache, wir haben uns empört. Aber am Ende steht jeder ­allein da.