Heuchelei um Flüchtlingshilfe

Ein Herz für Flüchtlinge

Deutschland nimmt 153 Flüchtlinge aus Malta auf und inszeniert sich damit als Retter Schutzsuchender und als solidarischer EU-Partner.

Herzergreifend muss es gewesen sein, als die Flüchtlinge aus Malta aus dem Flugzeug stiegen. Für Manfred Schmidt sei es »vielleicht das schönste Ereignis in meiner Amtszeit« gewesen, schwärmte der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) gegenüber der Presse. Dabei ließ er es sich nicht nehmen, die vergangene Woche in Deutschland aufgenommenen Flüchtlinge einzeln per Handschlag zu begrüßen und die Flüchtlingskinder liebevoll zu herzen. Auch die Presse zeigte sich entzückt.
Die Beamten des Bundesinnenministeriums waren offenbar derart ergriffen, dass sie die Geographie durcheinander brachten: Die hier aufgenommen Menschen, die ursprünglich aus Somalia, Eritrea, Äthiopien und dem Sudan flohen, wurden kurzerhand als »Nordafrikaner« bezeichnet. Aber das ist nicht so wichtig. Vor allem sollte die Aktion zeigen, dass Deutschland sehr solidarisch mit Malta ist, einem der Staaten an den EU-Außengrenzen. Und dass es ein großes Herz für Schutzsuchende hat – jedenfalls groß genug für 153 Flüchtlinge.
Mehr Flüchtlinge sollen es aber wieder auch nicht sein. Ein Resettlement-Programm, wie es das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) für Flüchtlinge fordert, die etwa in Zeltlagern in der nord­afrikanischen Wüste darben, hat die Bundesregierung immer wieder abgelehnt – ebenso wie sie jede Reform des sogenannten Dublin-Systems blockiert, das dafür sorgt, dass Asylsuchende in dem EU-Staat bleiben müssen, den sie zuerst betreten haben. Also bleiben die Flüchtlinge in den peripheren EU-Staaten. Etwa im Inselstaat Malta, dem Deutschland nun mit großer Geste einige Flüchtlinge abnimmt. Malta sei »aufgrund seiner geographischen Lage und im Hinblick auf seine geringe Einwohnerzahl in besonderer Weise durch die Migrationsbewegungen aus Nordafrika belastet«, schreibt das Innenministerium. Noch zynischer klingt das bei Schmidt: »Maltas größtes Problem«, sagte er den Nürnberger Nachrichten, sei »die Unterbringung von Familien und Alleinerziehenden. Babys und Kleinkinder sollten nicht in Gemeinschaftsunterkünften aufwachsen.«
»Gemeinschaftsunterkunft« ist eine doch recht beschönigende Bezeichnung für Lager wie das »Hal Far Tent Camp« auf Malta, in dem Flüchtlinge in zerfetzten Zelten leben müssen, in denen bei Regen alles unter Wasser steht. Es ist auch kein »Problem Maltas«, sondern ein Problem der Flüchtlinge. Wie andere Staaten an den EU-Außengrenzen gibt Malta den Druck des unfairen Dublin-Systems einfach an die Flüchtlinge weiter: Wenn es ihnen dreckig genug geht, so das Kalkül, werden sie doch noch anderswo aufgenommen, fliehen weiter oder kommen gar nicht erst an.
Die 153 Flüchtlinge haben daher »das große Los gezogen«, wie es der Evangelische Pressedienst formuliert. Sie müssten noch nicht einmal ein »langwieriges Asylverfahren« in Deutschland durchlaufen. Und die Betroffenen haben wirklich Glück. Allein von Januar bis September hat die Bundesregierung in 124 Fällen die Regierung Maltas ersucht, Flüchtlinge zurückzunehmen, die auf eigene Faust nach Deutschland weitergeflohen waren, und deren Abschiebung auf den Weg gebracht – zurück in die zerrissenen Zelte von Hal Far.