Der Emir kann es besser

Thomas Gottschalk? Joschka Fischer? Peter Sloterdijk? Vielleicht zur Abwechslung mal eine Frau, etwa Ursula von der Leyen oder Anne Will? Oder sollte der Mann den Job bekommen, der ihn bereits erledigt, nämlich Helmut Schmidt? Aber hält der noch fünf Jahre durch? Bushido und Daniela Katzenberger hingegen sind noch zu jung. Jedenfalls ist es an der Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, wer der nächste Bundespräsident werden könnte. Man mag Christian Wulff vieles verzeihen, seine fragwürdigen Kreditgeschäfte, seinen schlechten Geschmack in architektonischen Fragen, den Versuch, die Medien unter Druck zu setzen, vielleicht sogar die Platzierung unschuldiger Kinder als Dekoration für seine Weihnachtsansprache. Doch sollte sich der höchste Repräsentant der Deutschland AG bei Intrigen und der Abwicklung dubioser Geschäfte wirklich etwas geschickter anstellen. Wie sollen unsere ausländischen Geschäftspartner Vertrauen gewinnen, wenn sie erkennen müssen, dass hierzulande nicht einmal das Staatsoberhaupt die gebotene Diskretion wahren kann?
Wulffs Versagen ist umso unverständlicher, als sich ihm andere Möglichkeiten geboten hätten. Schließlich ist er nach Angaben der Bild-Zeitung mit Hamid bin Khalifa al-Thani, dem Emir von Katar, »gut befreundet«. Al-Thani regiert »das Wüstenemirat mit starker Hand. Und Scheicha Mouza, die wichtigste seiner drei Frauen, regiert ihn«, weiß Bild zu berichten. Warum hat Wulff nicht bei den al-Thanis geschnorrt? Als gute Muslime dürfen diese eigentlich keinen Zins nehmen, und niemand hätte von dem Kredit erfahren, denn der Emir ist auch ein ausgewiesener Experte im Umgang mit den Medien. Er würde sich nicht mit auf den Anrufbeantworter eines Chefredakteurs gesprochenen leeren Drohungen blamieren. Stattdessen hat er den Fernsehsender al-Jazeera gegründet und so den Eindruck erweckt, er setze sich für Freiheit und Demokratie ein, obwohl er nur den Macht­erhalt und nationale Interessen im Sinn hat. Mit diplomatischem Geschick widmet sich al-Thani auch der Aufgabe, die arabischen Revolten für die Beseitigung seiner Feinde zu nutzen, ohne die autokratische Herrschaft im eigenen Land in Frage zu stellen. Er, der bereits Aktionär von VW und anderen deutschen Unternehmen ist, wäre ein geeigneter Bundespräsident für die postdemokratische Epoche der Deutschland AG. Die Einwanderung qualifizierter ausländischer Arbeitskräfte soll ja erleichtert werden, angeblich weil es an Ingenieuren mangelt, doch weit größer ist der Mangel an Politikern, die nicht alles verpatzen. Wenn Wulff, der al-Thani noch im Dezember besuchte, dem Emir sein Leid geklagt hat, könnte dieser allerdings auf die Idee kommen, die Frage »Was ist in Deutschland die ›Fünf-Prozent-Hürde‹?« im Einbürgerungstest mit »Der Mindestzinssatz für Bundespräsidenten, die im Amt bleiben wollen« zu beantworten.