Der Film »Hangmen also die« von Fritz Lang und Bertolt Brecht auf DVD

Henker in Hollywood

Gemeinsam realisierten Fritz Lang und Bertolt Brecht 1942 in den USA den antifaschistischen Hollywoodfilm »Hangmen also die«, der die amerikanische Bevölkerung vor dem Naziterror warnen sollte. Der Film ist nun auf DVD erschienen. Das Booklet dokumentiert auch die politischen Auseinandersetzungen zwischen Lang und Brecht.

Die Filmmusik Hanns Eislers baut von der ersten Sekunde an Spannung auf. Der Freiheitsgeist der tschechoslowakischen Bevölkerung wird im Vorspann gerühmt, die Erschaffung einer versteckten Armee, die kämpft, um das Land von den Nazi-Invasoren zu befreien. Zu den Bildern der Prager Burg auf dem Hradschin erklingen helle Töne, die abrupt in ein tiefes, bedrohliches Crescendo übergehen, als das Porträt Hitlers ins Bild kommt. Und dazu jede Menge Nazifahnen. Auf dem Hradschin herrscht der Reichsprotektor Reinhard Heydrich, gespielt von dem deutschen Exilanten Hans Heinrich von Twardowski.
Im großen Saal spricht er vor tschechischen Industriellen und Honoratioren. Mit schneidender Stimme, in der Hand eine Reitpeitsche, erregt er sich über die Langsamkeit der tschechischen Arbeiter: »Für diese stinkende Sabotage erschießt man 50 Arbeiter – warum nicht 500! In den Skoda-Werken arbeiten doch 37 000!« Der exilierte Schauspieler schreit diese Sätze auf Deutsch – auch in der englischen Fassung wurden diese Passagen so belassen, um mittels der Sprache die Besatzung durch ausländische Invasoren zu betonen: »Ab sofort werden die Skoda-Werke unter die Kontrolle der Gestapo gestellt!« Ein Nazifunktionär übersetzt ins Englische. Wieder ein deutscher Schauspieler, der mit Akzent die Befehle bellt. In der Prager Vorstadt Liben wurde am 27. Mai 1942 ein Attentat auf Heydrich verübt – ausgeführt von zwei mit dem Fallschirm aus einem englischen Flugzeug abgesprungenen Soldaten der tschechischen Exilarmee, die von der Untergrundbewegung unterstützt wurden. Die Attentäter konnten flüchten. Die Nazis verhängten den Ausnahmezustand, terrorisierten die Bevölkerung. Eine Großfahndung nach den Attentätern setzte ein. Am 9. Juni 1942 töten Nazis alle über 16 Jahre alten männlichen Bürger des nahe Liben gelegenen Dorfes Lidice. Alle Frauen kamen ins KZ, die Kinder wurden verschleppt. Das Dorf wurde dem Erdboden gleichgemacht – verbrannte Erde. Angeblich hätten die Bewohner die Attentäter unterstützt. Die Attentäter erschossen sich selbst, bevor sie sich SS-Einheiten hätten ergeben müssen.
Im Film »Hangmen also die« steht das Attentat auf Heydrich am Anfang. Nach den Szenen am Hradschin ist ein gutgekleideter Mann (Brian Donlevy) zu sehen, der durch die Altstadt von Prag flüchtet. Wenig später folgen deutsche Soldaten, Gewehr im Anschlag. Vor einem Gemüseladen steht die junge Mascha Novotny (Anna Lee). Sie schickt die Deutschen in die falsche Richtung. Der Flüchtende sieht dies. Überall Kontrollen, der Mann weicht vor den Razzien in ein Kino aus. Im Saal macht flüsternd eine Nachricht die Runde: Sie haben Heydrich erschossen. Beifall brandet auf. Ein Aufpasser mit Hakenkreuzbinde steht auf, unterbricht die Vorstellung, will alle kontrollieren. Er wird niedergeschlagen. So kann auch der Verfolgte fliehen. Er erinnert sich an Mascha Novotny, klingelt. Sie erschrickt, lässt ihn ein. Er übernachtet bei der großbürgerlichen Familie Novotny.
Am nächsten Morgen wird der Vater von Mascha, Professor Stephen Novotny, verhaftet. Er ist eine der 400 Geiseln, welche die Deutschen in dem Film nehmen und in Baracken inhaftieren, um die Herausgabe der Attentäter durch die Bevölkerung zu erzwingen. Mascha Novotny entwickelt sich im Verlauf des Films von einer passiven Gegnerin der Besatzung zu einer aktiven Unterstützerin der militanten Untergrundorganisation. Dabei bangt sie weiter um ihren Vater. Die Gestapo und die SS prügeln und morden. Sie beginnen, die Geiseln zu erschießen.
In den vierziger Jahren drehte der in die USA emigrierte, in Wien geborene Regisseur Fritz Lang mehrere sogenannte Anti-Nazi-Filme. Diesem Genre zugerechnet werden auch sein 1941 entstandener Spionagefilm »Man Hunt« (»Menschenjagd«) und sein Film »Hangmen also die« (»Auch Henker sterben«) von 1943, den er zusammen mit Bertolt Brecht realisierte. Die Zusammenarbeit der beiden Emigranten gestaltete sich schwierig, zu groß waren die politischen Differenzen. Der Film ist jetzt in der Filmedition Suhrkamp auf DVD erschienen, ein Booklet dokumentiert die Entstehungsgeschichte und die Kontroverse zwischen Lang und Brecht. Aufschlussreich sind insbesondere die Eintragungen Brechts in seinem Arbeitsjournal.
Lang war deutsch-national eingestellt und erhielt nicht ohne Grund 1933 von Joseph Goebbels das Angebot, die Leitung des Deutschen Films zu übernehmen. Später berichtete Lang, er habe noch »am selben Tag Deutschland verlassen«. Auch wenn er sich gegen eine Zusammenarbeit mit den Nazis entschieden hatte und in den USA die Anti-Nazi-League mitbegründete, blieb er auch als Exilant national eingestellt. So konnte er sich einen Anti-Nazi-Film nur als einen Film über den Widerstand eines unterdrückten Volkes gegen ausländische Invasoren vorstellen.
Bertolt Brecht, der nach Lang in die USA gekommen war und kaum Englisch sprach, konnte sich gegen Lang nicht durchsetzen. Er war als Drehbuchautor angestellt worden und hatte bei der endgültigen Fassung, der Auswahl der Schauspieler und bei der Produktion selbst kein Mitspracherecht. John Wexley, ein routinierter Drehbuchschreiber, war ihm zur Seite gestellt worden, er sollte das Drehbuch ins Englische übertragen und an die Standards der Hollywood-Studios anpassen, was Brecht missfallen musste. »Jetzt, vor dem shooting, schleppte lang den armen wexley in sein office und schreit mit ihm hinter verschlossenen türen, er wünsche ein hollywoodpicture zu machen, scheiße auf volksszenen usw.«, notierte er am 16. Oktober 1942 in seinem Arbeitsjournal. Brecht wollte den Schwerpunkt auf das kollektive Moment des Widerstands legen, auf die einfachen Leute, die sich gemeinsam gegen die Nazis wehren: »Trust the People« war sein Arbeitstitel für den Film, und »natürlich lege ich das schwergewicht auf die volksszenen«. People sind für Brecht etwas anderes als für Lang das Volk, das er mystisch verklärt. »er sitzt mit den allüren eines diktators und alten filmhasen hinter seinem boßschreibtisch, voll von drugs und ressentiment über jeden guten vorschlag«, lästerte Brecht.
Der Film entstand zur Zeit der Wende im Zweiten Weltkrieg: »keine schlechte woche ist vorüber: stalingrad hielt«, wie Brecht am 16. Oktober. 1942 notierte. Während Stalingrad unter enormen Opfern der Roten Armee und der Zivilbevölkerung gehalten wurde und die Niederlage der deutschen Truppen dort Anfang 1943 die Niederlage Nazideutschlands einläutet, wird »Hangmen also die« fertiggestellt.
Am 23. März ist die US-Premiere. »Hangmen also die« ist Hollywoodkino, das durch die Mitarbeit Brechts avantgardistische Elemente besitzt und an dessen Buch »Furcht und Elend des Dritten Reiches« erinnert. Trotz der Prominenz von Brecht und Lang kam der Film erst 1958 ins deutsche Kino.
Lang propagierte mit dem Film eine rechte Variante der Volksfrontpolitik und setzte auf einen bürgerlichen Antifaschismus, der sich mit dem Nationalsozialismus nicht weiter beschäftigt und ihn nur als brutale Besatzungspolitik gegen ein heldenhaftes Volk begriff. So ist es durchaus folgerichtig, dass Lang die zentralen Volksszenen von Brecht gestrichen hat. In diesen Szenen, im Lager, in den Baracken unter den Geiseln, sollte es um mehr gehen als nur um die Ablehnung der Besatzung. Brecht wünschte sich »geiselszenen, wo die klassenunterschiede im lager gezeigt werden«, wie er notierte. »Noch fünf minuten, bevor die nazis geiseln zur exekution holen, gibt es unter diesen antisemitische auftritte usw«.
Zu sehen ist davon im Film nichts, die Verfolgung jüdischer Menschen wird ausgeblendet. So wird der Brauereibesitzer Emil Czaka (Gene Lockhart), der sich in die Untergrundorganisation begibt, um diese an die Deutschen zu verraten, durch eine Verschwörung des Volkes zur Strecke gebracht – eine ahistorische Darstellung, die den Naziterror verharmlost und den tschechischen Widerstand überhöht.

Hangmen also die (USA 1943). Regie: Fritz Lang. Drehbuch: Bertolt Brecht, John Wexley. DVD (Absolut/Filmedition Suhrkamp)