Das Verhältnis Ägyptens zu Israel

Schwierige Feindschaft

Die in ägyptischen Islamisten können sich eine Annullierung des Friedensabkommens mit Israel nicht leisten.

Das Ziel ist eigentlich klar. Ende November rief die von Yusuf al-Qaradawi geleitete islamistische Weltorganisation Union muslimischer Kleriker erneut alle Araber auf, die Friedensverträge mit Israel zu kündigen und den bewaffneten Jihad gegen den »zionistischen Feind« bis zum Sieg zu unterstützen. Nur, stellen die Muslimbrüder ge­rade verbittert fest, trotz des unbestrittenen Wahlsieges in Ägypten kann man dieser Tage als Islamist nicht überall so, wie man gerne wollte.
Die USA sind immer noch ein Hauptgeldgeber des ägyptischen Staates und der Armee, weitere Transferzahlungen sind an die Beibehaltung des Friedensabkommens mit Israel geknüpft. Und Saudi-Arabien, zweiter wichtiger Finanzier Ägyptens, fördert zwar weiter weltweit ungestört den Jihadismus, will aber momentan im Nahen Osten den Status quo beibehalten, vor allem aus Sorge, weitere Instabilität könnte dem Erzfeind Iran in die Hände spielen. Außerdem hat das ägyptische Militär kein Interesse an einem offenen Konflikt mit Israel, auch wenn es hier und da antiisraelische Demonstrationen anleitet.
Damit befinden sich die Muslimbrüder in einer misslichen Lage, hatten sie doch im Februar noch versprochen, dass sie, sollten sie an die Macht kommen, das Abkommen mit Israel umgehend annullieren würden. Nun mussten sie kürzlich erklären, sie planten, alle internationalen Abkommen, die Ägypten abgeschlossen habe, einzuhalten, sie wünschten nur gewisse »Modifikationen« der Verträge von Camp David. Ähnlich äußerte sich erstaunlicherweise Emad al-Din Abdel Ghafou, der Vorsitzende der salafistischen Partei al-Nour-Partei, die bei den Wahlen über 20 Prozent der Stimmen errang.
Diese Aussagen sind sicher nicht Ausdruck jenes »moderaten Islamismus«, der neuerdings in der Region herrschen soll, sondern äußerem Druck geschuldet. Ägypten steht am Rande eines ökonomischen Kollapses und ist existentiell auf ausländische Finanzierung und Tourismus angewiesen. Behält man aus rein taktischen Erwägungen das Friedensabkommen jetzt bei, werden ­jedoch Realitäten geschaffen, die unter Umständen ein Eigenleben, das keineswegs im Sinne des Erfinders sein dürfte. Bislang erklärte die Muslimbruderschaft, der Friede mit Israel sei von einer illegitimen ägyptischen Regierung gegen den Willen der Ägypter geschlossen worden. Jede neue Regierung wird aus vergleichsweise freien und fairen Wahlen hervorgehen. Wer das Friedensabkommen beibehält, tut dies fortan folgerichtig im Namen des Volkes.
Können aber die Muslimbrüder, die nicht nur gewählt wurden, sondern ihren Auftrag auch von Allahs Willen herleiten, es sich lange erlauben, öffentlich zu erklären, sie halten an dem Abkommen nur fest, weil die USA sonst den Geldhahn zudrehen würden? Das wirkt weder souverän noch auf Dauer überzeugend. Die Alternative bestünde im bislang Undenkbaren: einer von den sunnitisch dominierten arabischen Staaten orchestrierten Anerkennung Israels im Rahmen einer Zweistaatenlösung, die sich zugleich explizit gegen den Iran und seine Einflussnahme in der Region richten würde. Ein solcher Schritt käme keineswegs als Ausdruck guten Willens, sondern einzig aufgrund taktischer Überlegungen und äußeren Drucks zustande. Und doch würde er das Gesicht der Region nachhaltiger verändern, als es einst das Camp-David-Abkommen tat.