Hat sich das Dschungelcamp angetan

Porno-Klaus, wir vermissen Dich!

Das Dschungelcamp kommt dieses Jahr nicht so richtig in Schwung. Kein Wunder bei den schrecklichen Kandidaten.

Das hatte sich die Frau deutlich anders vorgestellt. Vielleicht hatte sie die Teilnahmebedingungen im Kleingedruckten der Doku­soap »Einsam unter Palmen – Auswanderer auf der Suche nach Liebe« nicht zu Ende gelesen, vielleicht hatte sie sie auch nur falsch verstanden: Jedenfalls hatte der Kerl, der sie schließlich am Zielort in Vietnam begrüßte, mit einem Traumprinzen nur die Chromosomen-Anordnung gemein. Statt einem teuer gekleideten Unternehmer stand ein reichlich schluffig aussehender Kerl vor ihr, der überdies nicht in einer Stretchlimo vorgefahren war, sondern mit einem Mofa, von dessen Lenker eine dieser Billigplastiktüten baumelte, in denen anscheinend überall auf der Welt Kioske ihre Ware verpacken. Er habe etwas zu Trinken mitgebracht, begrüßte sie der Heiratswillige, und deswegen könne sie nun aussuchen, ob sie Bier, Cola oder Limo haben wolle, alles extra besorgt. Nun ist es zwar durchaus unterhaltsam anzusehen, wenn aus Gier Enttäuschung wird, andererseits hat man mittlerweile viel zu viele Sendungen verfolgt, in denen Kandidaten bloßgestellt wurden, weil bei ihnen falsche Erwartungen geweckt wurden, um gute Quoten zu erzielen.
So gesehen war am Freitag vor zwei Wochen mit der Auswanderer-Verkupplungsshow also alles optimal vorbereitet für den Start des neuesten Dschungel-Promi-Abenteuers eine Stunde später, denn es sind Sendungen wie die eben beschriebene, die der Hauptgrund für den Erfolg von »Ich bin ein Star, holt mich hier raus« sind. Warum das Format Jahr für Jahr zu den quotenträchtigsten Reality-Soaps des deutschen Fernsehens gehört, zeigt sich regelmäßig in den Werbepausen, wo Reklame für »Deutschland sucht den Superstar« gemacht wird, indem kurze Ausschnitte gezeigt werden, in denen Dieter Bohlen kleine schüchterne Jungs und dicke unmusikalische Mädchen in ausgesucht kalkulierter Gossensprache fertigmacht. Die Sendung aus dem australischen Dschungel hat gegenüber der Castingshow (die übrigens dieses Jahr zum ersten Mal massiv und dauerhaft Zuschauer verliert) einen großen Vorteil: Wer dort mitmacht, ist nicht nur kein armes Opfer finsterer Fernsehschaffender, sondern war in besseren Zeiten meist auch selbst Bestandteil des unterhaltungstechnisch-industriellen Komplexes. Deswegen muss man es zwar immer noch nicht gut finden, wenn die Kandidaten richtiggehend gequält werden wie Caroline Beil in der allerersten Show, aber sonderlich viel Mitleid braucht man über das bisschen, nicht einmal live dauergesendete Leben der sich verzweifelt nach Rampenlicht Sehnenden im verregneten Dschungel auch nicht zu haben.
Und dann ähnelt so ein Aufenthalt im Camp verdammt geregelter, nicht selbstbestimmter Arbeit: Man ist gezwungen, viel Zeit mit Leuten zu verbringen, die man nicht leiden kann, man muss scheußlichen Kram erledigen, nur um essen zu können, man muss die Fehler der Kollegen ausbaden, man darf nicht oder nur ganz selten rauchen und muss selbst dann dableiben, wenn es objektiv betrachtet nichts weiter zu tun gibt als sich zu langweilen, und außerdem muss man die vorgeschriebene Kleiderordnung einhalten. Dass die Mehr-oder-Weniger-Promis trotzdem nicht mit Mitleid und Solidarität rechnen können, liegt am Gehaltsunterschied. Für zwei Wochen Dschungelcamp gibt es mindestens 30 000 Euro (je berühmter man einmal war, desto mehr bekommt man), von denen man dann anschließend prima eine ganze Weile nichts tun kann.
Aber auch im Dschungel zeigte sich rasch, dass man nicht davon ausgehen kann, dass Arbeitnehmer ihren Job gut machen, wenn das Drumherum nicht stimmt. Bereits in den ersten Tagen erklärte ständig irgendjemand, keine Lust mehr zu haben, wobei sich bezahlt machte, dass es keine wirklich festgeschriebenen Regeln zu geben scheint, denn obwohl Martin Kesici bereits in den ersten Tagen den vorgeschriebenen Satz »Ich bin ein Star, holt mich hier raus« deutlich gerufen hatte, galt der Satz dann plötzlich nicht mehr als unwiderruflicher Auszugsbeschluss, sondern bloß als irgendwie so dahingesagt. Der Mann blieb drin, jedenfalls so lange, bis er dann doch freiwillig ging, und zwar exakt an dem Tag, ab dem im Falle des freiwilligen Ausscheidens bloß noch ein Drittel des Honorars verloren gehen würde. Was Kesici bei seinem ersten Auszugsversuch vermutlich einfach nicht gewusst hatte.
In dieser Staffel des Dschungelcamps wirkt es allerdings so, als habe keiner der Bewohner vorher die Teilnahmebedingungen sonderlich aufmerksam studiert. Dass der Dschungel nicht blitzeblank geputzt war, brachte beispielsweise die ehemalige ZDF-Moderatorin Ramona Leiß gleich in den ersten Minuten der Auftaktsendung um alle Titelchancen: »Das ist ja furchtbar«, rief sie minutenlang. Erst als ihre Kollegen schon fast fertig aufgeräumt hatten, beruhigte sie sich ein wenig, um sich dann gleich darüber zu wundern, dass die Einrichtung des neuen Domizils auch im Sanitärbereich eher kärglich ausfiel.
Dass sie gleich nach Daniel Lopez aus dem Camp gevotet wurde, war nicht weiter überraschend. Denn im Dschungel gilt: Wer tratscht, heult, sich anstellt, hinterlistig oder faul ist, hat gute Chancen, zur Dschungelprüfung vorgeladen zu werden und im weiteren Verlauf früh rauszufliegen.
Wer dagegen auch nur leidlich teamfähig ist und nicht weiter nervt, darf drinbleiben, wobei die Anrufwilligen unter den Fernsehzuschauern recht eigenwillige Definitionen von »nervig« zu haben scheinen. Denn im Grunde sind sie alle anstrengend und relativ ununterhaltsam: Ein Castingprodukt namens Kim beispielsweise, oder Ailton, der im Grunde gar nichts macht, aber dabei immerhin irgendwie ganz nett wirkt. Oder Radost Bokel, die mal Momo gespielt hat und jetzt tätowiert ist und hauptsächlich hübsch gucken kann. Und die Dingens, na sach schon, wie heißt sie noch, die bei dieser Mädchenband … genau: Jazzy. Jazzy ist immerhin fähig zu Selbstironie: Eine »Fünf in Mathe« habe sie gehabt, bekennt sie bei einem gemeinsamen Schatzkistenausflug mit Momo Bokel, »und das in der Hauptschule!« Ansonsten bestanden ihre Stärken im Moderatoren-Anmeckern, was in aller Regel jedoch auch verdient war.
Das Beste an Rocco Stark ist übrigens, dass seine Halbbrüder rechtzeitig zu Beginn des Dschungelcamps Twitter entdeckt haben und seither niemand mehr auf die Idee kommt, Boris Becker wegen seiner nicht immer rechtschreibsicheren Tweets zu dissen. Dass der von seinem Vater Uwe Ochsenknecht anscheinend nicht sehr gemochte Soap-Darsteller laut Umfragen diverser Boulevardzeitungen zu den ganz großen Anwärtern auf den Titel des Dschungelkönigs gehört, muss dagegen als eines der größeren Rätsel der Unterhaltungsindustrie verbucht werden, denn weder seine eigenartigen Schwulen-Parodien noch sein Gefummel mit Kim sind sonderlich unterhaltsam.
Auch Topverdienerin Brigitte Nielsen gilt als eine der Favoritinnen für den Dschungel-Titel. Die Schauspielerin hat das Format Dschungelcamp anscheinend zu ihrer neuen Einnahmequelle gemacht – zuvor war sie schon bei der italienischen Version von »Ich bin ein Star, holt mich hier raus«. Im Camp sitzt das Ex-Model immerhin recht ansehnlich herum. Und wenn gar nichts mehr geht, erzählt sie halt von ihren Ehen, hauptsächlich von der mit Sylvester Stallone, die zum Glück für Sender, Zuschauer und Dschungelmitbewohner nicht optimal verlief, denn so öde kann keine Folge der Doku-Soap sein, dass Schilderungen wie »morgens haben wir immer total gemütlich im Bett gefrühstückt und dann sind wir arbeiten gegangen und abends gingen wir dann entweder in ein Restaurant oder kauften im Supermakt um die Ecke zusammen ein« ungekürzt und mit zahlreichen Zwischeneinblendungen der staunenden Gesichter zuhörender anderer Stars versehen ausgestrahlt würden.
Obwohl sie kaum lästert und eifrig tut, was ihr aufgetragen wird, ist bei der Nielsen der Fremdschämfaktor erstaunlich hoch. Hin und wieder, vor allem, wenn irgendwelche Prüfungen anstehen, hat sie nämlich Quietschanfälle. »Wohoooo, Jihaaa« schreit die großformatige Blondine dann, klatscht in die Hände, schreit sicherheitshalber noch einmal von vorne los und macht seltsame Bewegungen. Aber immerhin: Die als Favoritin gehandelte Nielsen kann offenkundig kein Musikinstrument spielen. Was ein echtes Plus ist, denn eine von einer ihre Ukulele oder auch nur ihre Trommel malträtierenden, zwischendurch »Jihaaaa« quiekenden Brigitte angeführte, selbst bloß durch ein kleines Stückchen Wohnwald ziehende Polonaise gehört zu den eher unschönen Vorstellungen. Wir erinnern uns: In den ersten Staffeln der Show, als die Bewohner noch dachten, es handele sich um eine Art Big Brother mit Pflanzen drumherum, gab es immer wieder sehr schauderhafte Versuche, an einen Plattenvertrag oder doch zumindest einige Auftritte als Dschungel All Stars oder so etwas zu kommen.
Mittlerweile hat sich jedoch herumgesprochen, dass aus dem großen Karrierekick nicht nur in der Musikbranche, sondern in allen Bereichen, in denen man so prominent sein kann, nichts weiter wird. Was sich, und das ist eine der Erkenntnisse der neuen Dschungel-Staffel, durchaus negativ auf die Teilnehmerliste auswirkt. Gerüchteweise war beispielweise der sogenannte Porno-Klaus als Camp-Bewohner vorgesehen, aber selbst der eine Zeitlang notorisch in diversen Doku-Formaten aktive Darsteller hatte anscheinend seine Teilnahme abgesagt. Was ein bisschen schade ist, denn man hätte schon gern gewusst, ob der Mann immer noch Hoffnung auf eine Karriere hat.
Für Klaus, der im BB-Haus durch notorische Unbekleidetheit und viel Herumsitzen in String-Tangas sowie kurze Dissereien mit der mittlerweile verstorbenen Porno-Darstellerin »Sexy Cora« aufgefallen war, wurde jedoch ein zumindest textilientechnisch adäquater Ersatz gefunden. Er heißt Micaela Schäfer und schleppt sich in hauchdünner Unterwäsche durch den Dschungelalltag. Diese Bekleidung wird auch dann nicht durch irgendwas Praktisches ersetzt, wenn abzusehen ist, dass, während einer Prüfung nur mit einem String bekleidet in einer Brühe aus Maden und anderen Kleinviechern zu liegen, kaum dazu führt, dass man Hauptdarstellerin in den erotischen Träumen der RTL-Zuschauer wird.
Selbst bei Big Brother, wo üblicherweise Frauen, die in Bordellen arbeiten und Pornos drehen, unter dem Label Erotikdarstellerinnen gecastet werden, fallen die zweifellos hauptsächlich für Dusch- und Sexszenen verpflichteten Darstellerinnen immer mal wieder aus der Rolle und präsentieren sich als durchaus alltagstaugliche Menschen, die sich keinesfalls bloß auf ihre Geschlechtsteile reduzieren lassen wollen. Nicht so Micaela, die in den ersten Tagen dermaßen penetrant versuchte, alle anwesenden Männer anzubaggern, dass es selbst dem eher durchgängig gedanklich abwesenden Ailton schon nach wenigen Stunden zu viel wurde. Und auch die Mitbewohnerinnen ließen Micaelas Traum, so eine Art ungekrönte Erotik-Queen zu werden, rasch und gnadenlos platzen. Ein, zwei gezielte Nachfragen reichten, um die Marzahnerin als lediglich theoretisch an Themen wie Sex, Libido oder erogene Zonen interessierte Poserin dastehen zu lassen, die selbst in Reizwäsche furchtbar langweilig wirkt. Ihre Ansagen an die Zuschauer, doch bitte für ihren weiteren Verbleib im Camp anzurufen, weil sie dann die Chance auf »weitere Schäferstündchen« hätte, klingen zudem so, als habe die Frau, die derzeit vor allem als Nackt-DJane (das ist Plattenauflegen ohne was an) arbeitet, den Satz vorher stundenlang von einem schmierlappigen Agenten – Typ: 55 Jahre alt und nicht in der Lage, sich auch nur mit vollständigem Namen am Telefon zu melden, ohne dass gleichzeitig auch eine Zote herausrutscht – eingebläut bekommen.
Eigentlich wirkt auch Vincent Raven so, als habe er viel Freude an zweideutigen, platten Bemerkungen, aber hundertprozentig verifiziert werden kann das nicht. Nach einem Wutanfall noch vor dem Einzug ins Camp, bei dem er sich bitterlich darüber beschwerte, dass einige der zugeteilten Kleidungsstücke in der »Schwuchtelfarbe Rot« gehalten waren, stach der Mann, der in Wirklichkeit Andreas Plörer heißt, eigentlich nur noch durch einige kurze Aggressionsschübe plus dem bei jeder Gelegenheit geäußerten Satz »Mögen die Raben mit Dir sein« sowie flehentliche Bitten, die Zuschauer mögen ihn doch bitte endlich, endlich aus dem Dschungel voten, hervor. Was Raven dann da draußen, jenseits des Dschungels, machen möchte, ist nicht bekannt. Auf seiner Website werden keine anstehenden Termine genannt, statt dessen wird dafür geworben, den Magier »für TV-Produktionen, Theater, Gala-Vorstellungen, Firmen« zu verpflichten. »Private Kleinanlässe« gehen übrigens auch, wobei es eher zweifelhaft ist, ob man jemanden, der ganz furchtbar wütend wird, wenn er die Farbe Rot sieht, wirklich zu einer kleinen Vorstellung von Tante Rosas 80. Geburtstag einladen möchte. Immerhin wäre dann aber die Chance groß, dass die schlimme peinliche Situation, vor der sich bei solchen Anlässen praktisch die gesamte Familie fürchtet, nämlich dass niemand den mitgebrachten Nudelsalat von Cousine Marga isst, diesmal nicht eintritt, denn Raven hat im Dschungelcamp bereits mehrmals gezeigt, dass er ohne mit der Wimper zu zucken alles zu sich nimmt, was ihm hingestellt wird, und so jemanden kann man wirklich immer mal brauchen.
Insgesamt wurde bei diesem Dschungelcamp aber auch von den anderen Teilnehmern relativ klaglos viel ekliges Zeug gegessen – und auch wenn Schweineanus und Taubenblut als Neuzugänge auf der Pfuibäh-Liste landeten: So langsam ist es jetzt auch mal gut mit widerlich schmeckenden und/oder aussehenden, womöglich noch lebenden Speisen und Getränken. Wie übrigens auch damit, für ein bisschen Essen am Abend in Maden zu baden oder irgendwas mit Schlangen oder bissigen Viechern (den Krokodilen, die ebenfalls eine Novität bei »Ich bin ein Star, holt mich hier raus« waren, wurden übrigens extra die Mäuler zugeklebt) machen zu müssen.
Ob es überhaupt Alternativen im Quälprogramm geben kann, ist dabei eigentlich ziemlich egal, denn wirklich lebendig ist das Format offenkundig nicht mehr. Wenn man ein Jahr Zeit hatte und am Ende nur diese Kandidaten vorweisen kann, spricht das nicht dafür, dass beim Dschungelcamp 2013 irgendetwas besser werden könnte. Gut, es gibt noch eine Menge dieser ollen Castingbands, deren Namen einem vielleicht wieder einfallen, wenn man sie irgendwo samt ihrer Geschichte liest und deren Ex-Mitglieder dringend Geld brauchen könnten. Vielleicht gründet Brigitte Nielsen vom vielen Showgeld ja auch eine eigene Firma, die arbeitslose und verzweifelte ehemalige US-Bekanntheiten in europäische Dschungelshows vermittelt. Und sicher würde sich auch der eine oder andere Pornodarsteller bereiterklären, ein bisschen nackig durch die australische Natur zu hüpfen. Vielleicht macht im nächsten Jahr ja auch der Porno-Klaus mit.