Dekonstruieren die Filme der Berlinale Geschlechterrollen?

Neue Role Models!

Meryl Streep als Margaret Thatcher und Diane Krueger als Marie Antoinette, das sind nicht die Heldinnen, die das Kino revolutionieren.

Als Mann muss man sich nicht wirklich schlecht aufgehoben fühlen bei den Berliner Filmfestspielen: Viele Filme wurden von Männern gedreht, zeigen Männer und behandeln Männerthemen. Das Festival wurde eröffnet von: Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit. Gemeinsam mit Festivalleiter Dieter Kosslick. Und Jurypräsident Mike Leigh. Für Musik hat gesorgt: das Duo Boy, das aus zwei Frauen besteht. Eine Dietra Kosslick ist erstmal nicht geplant. Der Jurypräsident ist wie immer ein Jurypräsident. Die Trophäen: alles Männer, keine einzige Bärin weit und breit! Mit Frauke Greiner hat die Pressestelle ihre kompetente Chefin. Wer sorgte dafür, dass sich die Herren bei der Eröffnung nicht an die Gurgel gehen? Die ganze Kraft von Moderatorin Anke Engelke.
Der Wettbewerb ist nach wie vor fest in Filmemacherhänden. Tja, und wo Marie Antoinette endet – gespielt von Diane Krueger im Eröffnungsfilm »Leb’ wohl, meine Königin« –, ist ja bekannt. Welch ein Signal: Zu Festivalbeginn wird eine Königin geköpft. Der Berlinale-Wettbewerb müsste wohl ungefähr 62 Jahre ohne Männerfilme auskommen, um den Rückstand endlich aufzuholen.
Sicher, Schauspielerinnen sah man immer schon gern. Wer ist nicht alles da: Nina Hoss, Charlotte Gainsbourg, Angelina Jolie. Im Panorama gibt es auch viele Regisseurinnen. Schamoni heißt jetzt Ulrike statt Ulrich. Komme mir aber nun keiner mit der Hommage an die unvermeidliche Meryl Streep. Im Film, den die Berlinale zeigt, tritt sie angeblich lauter alten Männern in den Hintern, als »Iron Lady« Maggie Thatcher. Nun, wer sind die alten Männer? Gewerkschafter, die für ein besseres Leben kämpfen. Wenn’s schon mal um starke Frauen geht, kommen solche. Rechnete man diese Art Gender Mainstreaming hoch, bliebe doch nur: Eine Adolfine Hitlerin muss her.
Der Mann ist intelligent geworden. Er schmuggelt sich als U-Boot noch in die letzten fremden Refugien. Dieser Tage weint der Mann auch, will flüchten, klein sein und vielleicht auch mal kuscheln. »Geschlechtsspezifische Zuschreibung war gestern!« ruft er allen zu. Gar als »Schmerzensmann« treibt er sein perfides Unwesen, nennt sich Jesus und Tom Hanks, während er sich, schwuppdiwupp, Präsenz und Macht sichert.
Man muss schon tief in der Retrospektive wühlen, um anderes zu finden: Dort, in den von Meschrabpom und Prometheus produzierten Filmen der zwanziger Jahre, tummeln sich andere Role Models. Da werden Soldaten, Bauarbeiter und sogar Revolutionäre gezeigt, die Handwerkerfraktion also. Aber nicht zufällig ist diese Sektion mit dem Titel »Die rote Traumfabrik« überschrieben.
Er werde immer weiblicher, der Mann, mokieren sich die Medien. »Hilfe, die echten Männer werden knapp!« mahnt etwa die Zeit. Und die Herren Chefs lassen vor allem junge Autorinnen um den Verlust der alten Männerrolle trauern, weil sie von den neuen Machtstrategien ganz verwirrt sind. Ein Weichei sei er, nicht mal mehr ungefragt küssen würde er, der Mann, obwohl man doch extra »Nein« gesagt habe.
Jetzt wissen wir, warum. Der Mann, die dominante Lebensform, setzt sich wieder mal durch, trickreich, wie er ist. Und eher noch als eine Festivaldirektorin werden wir erleben, dass selbst die Kino-Marie-Antoinettes dieser Welt von Herren gegeben werden.