Ein Pastor über den Wolken

Über den Wolken muss, wir wissen es von Reinhard Mey, die Freiheit wohl grenzenlos sein. Wolken sind, das wissen wir aus anderer Quelle, etwas nicht wirklich Greifbares, das gleichwohl mitunter als schweres Gewitter runterkommt.
Auch Joachim Gauck steht bald über etwas nicht wirklich Greifbarem. Als Bundespräsident wird er nicht über Wolken stehen, sondern über den Parteien. Er präsidiert dann allen Menschen, die in dieser schweren Stunde (Bankenkrise, Schnäppchenpräsident etc.) zusammenrücken wollen. Dass Gauck und seine guten Menschen einmal mit der Wirkung von gefährlichen Blitzen oder Hagel auf die Welt niederkommen werden, soll mit dem Vergleich selbstverständlich nicht gesagt werden. Überhaupt darf man sich den Herrn Gauck nicht als eine Art Hindenburg des 21. Jahrhunderts vorstellen, obwohl der Pastor aus Mecklenburg ja jemanden verdrängt, der anscheinend das Böse schlechthin repräsentiert hat. Jedenfalls hatten sich vor dem Schloss Bellevue hasserfüllte Demonstranten versammelt, die bereit waren, ihren Schuh als Zeichen äußerster Verachtung in Richtung des Bundespräsidenten zu schleudern.
Wulff kam noch relativ gut weg, bloß lebenslänglich Großburgwedel lautet der Schuldspruch. Und Frau Wulff muss demnächst wieder die Vorzüge von Rossmann-Produkten bewerben. Wer jemals das Toilettenpapier dieser Firma benutzt hat, weiß, dass einen diese Berufsperspektive schon sehr kratzen kann.
Also Gauck. Dem Vernehmen nach hat Angela Merkel sich nicht nur mit Philipp Rösler angebrüllt, als es um die Frage ging, wer denn demnächst Ruckreden halten soll. Die Kanzlerin soll sich auch vergeblich bei der FDP nach Gaucks Handynummer erkundigt haben. Erst bei Jürgen Trittin wurde sie fündig, und diesem strategisch geübten ehemaligen Kader des Kommunistischen Bundes verdankt Deutschland ja überhaupt erst die Kandidatur Gaucks um das würdige Amt: 2010 schlug Trittin der SPD diesen gemeinsamen Kandidaten vor. In drei Wahlgänge zwangen Sozialdemokraten und Bündnisgrüne damals Christian Wulff, im vierten Anlauf wird der Herr Pastor endlich triumphieren.
Doch wozu? Wulff hatte von der »bunten Republik« gesprochen und mit dieser Anspielung auf Udo Lindenberg erste ästhetische Verwirrungen angedeutet, die sich dann beim Hauskauf von Großburgwedel manifestieren sollten. Gauck hingegen hat davor gewarnt, dass die »Einzigartigkeit« des Holocaust doch nicht »überhöht« werden dürfe. Herrn Wulffs größte Leistung war der Einzug mit Patchworkfamilie ins Schloss Bellevue. Ob aber Pastor Gauck, wie es derzeit heißt, wirklich mit seiner Lebensgefährtin dort hausen wird oder ob beide doch noch heiraten, weiß man nicht. Vielleicht gelingt es uns ja, an dieser Information irgendwie vorbeizukommen.