Olle Kamellen

Sie gelten gemeinhin als heitere Höhepunkte des Karnevals, die schier endlos langen Rosenmontagszüge, vor allem in den Narrenhochburgen Köln, Düsseldorf und Mainz. Bei Lichte betrachtet sind sie jedoch ein trauriger Tiefpunkt, denn kaum etwas legt über das deutsche Verständnis von Humor so anschaulich Zeugnis ab, wie es die von organisierten Karnevalisten gebauten, monumentalen Mottowagen tun – vor allem jene, die sich mit der politischen Großwetterlage beschäftigen. Für »originell«, »frech« und »provokativ« werden sie von Jecken wie Journalisten gerne gehalten, dabei treffen sie in aller Regel genau den Geschmack der Masse.
War beispielsweise noch bis vor kurzem vor allem George W. Bush ein beliebtes Motiv – mit Vorliebe als schießwütiger Cowboy oder als Alter Ego von Ussama Bin Laden dargestellt –, so wurde diesmal insbesondere Christian Wulff ins Visier genommen. In Köln etwa stand der »deutsche Michel« vor einem »Kaufhaus Vorteilsnahme« und zog den ehemaligen Bundespräsidenten aus einem überdimensionalen Anzug, aus dessen Taschen Bestechungsgelder purzelten. In Düsseldorf wurde Wulff als abgestürzter und gerupfter Bundesadler mit großem Schnabel inszeniert, in Mainz als k. o. geschlagener Boxer im Ring. Angela Merkel zog mal Philipp Rösler als Hündchen hinter sich her und mal Nicolas Sarkozy an ihren riesenhaft geformten Busen. Nichts davon ist witzig oder gar subversiv, der närrische Spott über den politischen Betrieb kommt so langweilig und phantasielos daher wie dieser selbst. Was sich da rebellisch gibt, ist in Wirklichkeit purer Konformismus in Form überdimensionaler Pappmachéfiguren. Antiamerikanismus, die Geißelung von Korruption als »Verrat am Gemeinwohl« und sexistische Darstellungen der Kanzlerin sind schon lange en vogue und das genaue Gegenteil von Kritik. Sein aufmüpfiges Element hat der Karneval bereits vor Ewigkeiten verloren. Was er heute in politischer Hinsicht zu bieten hat, sind vor allem: olle Kamellen.