Israel und die US-Politik gegenüber dem Iran

As time goes by

Die US-Politik gegenüber dem Iran ist von auffallender Zurückhaltung geprägt. Dabei weiß man nicht nur in Israel, dass der Zeitpunkt ideal ist, um den Druck auf das Regime in Teheran zu erhöhen.

Ein wenig seltsam mutet es an, wenn sich der amerikanische Präsident genötigt sieht, öffentlich zu versichern, er »bluffe nicht«. So geschehen in einem Interview mit der Zeitschrift Atlantic, Tage vor dem Gipfeltreffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu am Montag in Washington. Barack Obama erläuterte darin seine Iran-Politik. Aus dem Munde eines Ronald Reagan oder George W. Bush hätte man so etwas wohl kaum vernommen, sie standen gar nicht erst im Verdacht, in außenpolitischen Fragen vielleicht nur bluffen zu wollen. Es ist deshalb auch äußerst fraglich, ob Netanyahu Obamas Beteuerungen Vertrauen schenken wird.
Bislang nämlich zeugte dessen Iran-Politik, trotz anderslautender Erklärungen aus dem Weißen Haus, nicht gerade von Entschlossenheit. »Ausgestreckte Hände« hatte man angeboten und es 2009 bewusst unterlassen, die Massendemons­trationen der iranischen Opposition zu unterstützen. Und bis zuletzt wehrte der Präsident sich gegen die Forderungen des US-Kongresses nach schärferen Sanktionen insbesondere auch gegen den iranischen Ölsektor. Zwar haben die USA und die EU inzwischen weitere Sanktionen verhängt, doch in Israel bezweifelt man, dass diese Maßnahmen ausreichen und vor allem schnell genug Wirkung zeigen. Die Regierung in Jerusalem geht davon aus, das militärische Atomprogramm, an dem der Iran seit Jahren unermüdlich arbeitet, werde in sechs bis neun Monaten so weit fortgeschritten sein, dass ein Militärschlag es nicht mehr aufhalten wird. Deshalb gilt für Israel: jetzt oder nie.
Die regionale Entwicklung könnte den Umständen entsprechend kaum besser sein: Irans engster Alliierter in der Region, Syriens Despot Bashar al-Assad, kämpft ums eigene Überleben, die Hamas versucht, sich von der iranisch dominierten »Achse des Widerstandes« zu lösen, und die sunnitisch-arabischen Länder fordern seit langem ein härteres Vorgehen gegen den Erzfeind Iran. Sie würden einen israelischen Angriff auf Atomanlagen vermutlich sogar hinter vorgehaltener Hand begrüßen. Wie es aus israelischen Sicherheitskreisen heißt, wären die Risiken eines militärischen Alleingangs, wenn vermutlich auch schrecklich, durchaus kalkulierbar.
Ob es die Alternative ebenfalls wäre? Die besteht darin, dem amerikanischen Präsidenten zu vertrauen, dass er wirklich nicht blufft. Obama nämlich fordert von Israel Geduld: Die Sanktionen seien so beschaffen, dass sie über kurz oder lang Wirkung zeigten und den Iran an den Verhandlungstisch zurückbrächten. Wenn nicht, sagt Obama, hielten sich auch die USA eine »militärische Option« offen, eine iranische Bombe werde es mit ihm nicht geben.
Doch je mehr Zeit verstreicht, desto mehr beraubt sich Israel der eigenen Handlungsfähigkeit gegenüber dem Iran, die wie Netanyahu in Washington erneut deutlich machte, für ihn zentral ist. Weitgehende Einigkeit herrscht im jüdischen Staat nämlich, dass es dem iranischen Regime wirklich um die Auslöschung Israels gehe. Um dieses Ziel zu erreichen, seien die Machthaber in Teheran bereit, weitere Sanktionen, ja sogar einen verheerenden Krieg zu riskieren.
Umso mehr muss es die Israelis verstören, wenn nun der Stabschef des US-Militärs, Martin E. Dempsey, ausdrücklich sagt, er betrachte die iranische Führung als »rationalen Akteur«, und Obama diese Einschätzung öffentlich teilt. Die Vernichtung des europäischen Judentums dagegen hat die Israelis gelehrt, wie es enden kann, wenn man darauf vertraut, dass fanatische Antisemiten von irgendwelchen rationalen Motiven geleitet werden. Während Obama und sein Stabschef es offenbar darauf ankommen lassen wollen, wird es, sollten sie Unrecht haben, für Israel nämlich keine zweite Chance geben, das iranische Nuklearprogramm zumindest temporär zu neutralisieren.