Mein Blog, mein Computer, mein Frust

Berlin Beatet Bestes. Folge 138. Ingfried Hoffmann: Ingfried’s Boogie (1957).

Wie der eine oder andere Leser vielleicht bemerkt hat, ist mein Blog, der ja eigentlich der Ausgangspunkt für diese Kolumne war, im vorigen Jahr verwaist. Ich sage »der Blog«, nicht »das Blog«, irgendwie klingt es für mich so richtiger, auch wenn die Re­daktion meint, das sei falsch. Mein Blog fühlt sich ja auch eher an wie »Mein Block«. Der Blog ist mein Zuhause im Internet. So wie in Sidos Lied: »Meine Straße, mein Zuhause, mein Block.«
Plötzlich hatte ich im Internet also kein Zuhause mehr. Ein Grund war, dass mein Computer kaputt ging. Ein Freund schenkte mir zwar kurz darauf seinen alten, unter der Bedingung, »dass er den nie wieder sieht«, aber dieser Computer ist sehr, sehr, sehr langsam. Und der Ventilator ist so laut, dass es einfach nur nervt, vor ihm zu sitzen. So macht das Arbeiten an ­einem Blog keinen Spaß. Eigentlich hatte ich immer Freude daran, meine Fundstücke zu scannen, zu bearbeiten und die Platten mit einem Aufnahmeprogramm zu digitalisieren.
Die Plattencover erschienen, stark vergrößert, oft in einem ganz neuen Licht, und auch die jahrzehntelang vergessene Musik bekam durch die Digitalisierung eine frische Qualität. Seit ich diesen neuen »alten« Computer habe, denke ich bei den Worten »Blog«, »Internet« und »Computer« nur noch an nervtötende Nebengeräusche. Allerdings blieb ohne das Bloggen plötzlich auch viel mehr Zeit für meine neue Leidenschaft, Swing tanzen. Meine Aktivitäten verlagerten sich nach draußen, in die wirkliche Welt. Nicht die schlechteste Nebenwirkung einer Computerpause.
Vorige Woche habe ich endlich wieder begonnen zu bloggen. Es sind zwar immer noch erschwerte Bedingungen, unter denen ich am Computer sitze, aber es freut mich, dass ich noch Leser habe. Die will ich nicht ganz verprellen. Dennoch hat die blogfreie Zeit bei mir auch Spuren hinterlassen. Ich blogge jetzt illusionsloser. Niemand geht, inspiriert von meinem Blog, auf den Flohmarkt, kauft sich eine Platte und präsentiert die seinerseits im Internet. Niemand hört auf, digitale Musik zu hören. Im Gegenteil, mit meinem Blog erziehe ich die Internetnutzer nur zu weiterer Passivität, gerade ­indem ich ihnen alles portionsgerecht präsentiere. Niemand muss, wie im Trödelladen, eine eigene Entscheidung treffen, was gut und was schlecht ist. Mein Blog ist selbst der Trödelladen. Scheinbar brauchen die meisten Leute jemanden, der für sie entscheidet, was cool ist.
Hier mein nächster Blogpost: Die Platte fand ich unlängst für einen Euro. Sie ist cool und wurde nie wieder veröffentlicht. Der 20jährige Jazzpianist Ingfried Hoffmann schaffte es 1957 als einer der wenigen, die Brücke zu schlagen zwischen Rock’n’Roll und Jazz. Schwärzer als sein Rhythm & Blues-lastiger »Ingfried’s Boogie« sind der Jazz und der Rock’n’Roll in Deutschland nie gewesen. Derselbe Ingfried Hoffmann schrieb übrigens später die Titelmelodie der Sesamstraße: »Wer wie was, der die das, wieso weshalb warum – wer nicht fragt, bleibt dumm«.