Über die »Flexiquote«

Schrubben auf dem Sonnendeck

Vor einem Jahr erfand Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) die sogenannte Flexiquote, mit der Unternehmen freiwillig die Karrieren von Frauen fördern sollten. Bisher sind keine Erfolge in Sicht.

Kristina Schröder ist Anhängerin der Flexibilität. Abwechselnd setzt sich die Bundesfamilienministerin für die Möglichkeit ein, die Elternzeit flexibler zu gestalten, fordert mehr Flexibilität am Arbeitsplatz, und zum Boys’ Day auch schon mal eine »Flexibilisierung« der Geschlechterrollen.
Vor einem Jahr erblickte dann Schröders »Flexiquote« das Licht der Welt. Ein Neologismus, wie ihn Sascha Lobo in seinem neuen Duden für die moderne Lebenswelt nicht besser hätte erfinden können, der aber eher nach Sportberichterstattung oder Baustellenvokabular klingt als nach einem wirksamen Konzept, um der Diskriminierung von Frauen zu begegnen.
Nach einem Treffen mit Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft eröffnete Schröder damals eine Pressekonferenz mit den Worten: »Es hat sich einiges getan, sowohl in den Köpfen als auch teilweise schon in den Zahlen.« Man habe mit den Vertretern der Wirtschaft eine Regelung gefunden, die »praxistauglich und realitätsnah« sei.

Wenn es bis zum Jahr 2013 nicht gelinge, den Frauenanteil der 30 Dax-Unternehmen zu verdreifachen, dann müsse »aus der bisherigen freiwilligen Selbstverpflichtung eine gesetzliche Pflicht zur Selbstverpflichtung« werden. Was im Ministerialdeutsch schon merkwürdig anmutete, bedeutete in der Praxis, dass Unternehmen selbst entscheiden durften, wie hoch die Hürde sein sollte, die sie nehmen wollten. Zu welchen Höchstleistungen sich die deutschen Unternehmen hinreißen ließen, verrät die Liste der Selbstverpflichtungen, die Ende vorigen Jahres bei Schröders Ministerium eingereicht wurde.
Eon verpflichtete sich auf eine Frauenquote in der Führungsetage von sagenhaften 14 Prozent bis 2016, der Konzern Siemens ließ sich gar dazu bewegen, eine Steigerung von zehn auf zwölf Prozent bis 2015 zu versprechen. »Was wir hier in den vergangenen Monaten erlebt haben, ist mehr als alles, was in zehn Jahren zuvor passiert ist«, man sei »auf dem richtigen Weg«, frohlockte die Ministerin. Vielleicht hat sie einfach den verschrobenen Realitätsbezug von ihrem Idol, dem Erfinder der »blühenden Landschaften«, übernommen. Schließlich war Schröder schon als Kind eine glühende Verehrerin Helmut Kohls.
Es erscheint nur wenig verwunderlich, dass es bereits ein Jahr später wieder Gesprächsbedarf gibt. Jüngst drohte die EU-Gleichstellungsbeauftrage Viviane Reding der Bundesregierung zum wiederholten Mal damit, eine verpflichtende europäische Regelung zur Frauenquote durchzusetzen, sollten sich die deutschen Zustände nicht deutlich verbessern. Die Reaktionen fielen erwartungsgemäß empört aus. Schröder lehnt es entschieden ab, »dass sich Deutschland so etwas von der EU diktieren lässt«, Unterstützung erhielt sie von Vertreterinnen der Union. »Frau Reding wird damit den Frauen einen Bärendienst erweisen«, prophezeite die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, und unterstützte Schröders Aussage, dass sich Familie und Beruf so niemals vereinbaren ließen.
Manch einer fragt sich derzeit zu Recht, warum die Bundesministerin Frauen überhaupt dazu bewegen möchte, ins Berufsleben zu drängen, wo doch auch »Partnerschaft und Kinder Glück spenden«, wie Schröder dem Spiegel unlängst mitteilte. Bereits als Schülerin gab Schröder der Schülerzeitung zu Protokoll, sie wolle niemals Feministin werden. Nun erinnerte Schröder uns vor wenigen Tagen daran, wer die eigentlich Leidtragenden einer Quotenregelung seien: die Männer. Nicht nur, dass diese nun mehr Zeit in Kindererziehung investieren müssen, durch eine Quote würden sie auch eine »klare Benachteiligung aufgrund des Geschlechts« erfahren, da bei gleicher Qualifikation zunächst eine Frau bevorzugt würde. Das Engagement für einen höheren Anteil von Frauen in Führungspositionen steht nicht von ungefähr im Widerspruch zur Begeisterung von Schröder und ihrer männerbewegten Entourage für die »Jungenförderung«.

Dabei formuliert es der von der Bundesregierung in Auftrag gegebene erste Gleichstellungsbericht deutlich: »Die Ausgestaltung von Führungspositionen ist an männlichen Lebenswelten orientiert und in der Regel an eine spezifische Anforderungsstruktur und -kultur geknüpft, die potentiell nur Arbeitskräfte erfüllen können, die von familiären Pflichten frei sind.« Eine eigene Studie kann dann auch die Ministerin nicht vollständig ignorieren und zeigte sich weitsichtig: »Wandel funktioniert nicht per ordre de mufti«, oder, wie Schröder schön bildhaft formulierte: »Das Sonnendeck wäre optisch weiblicher. Im Maschinenraum hätten viele Frauen das Nachsehen.«
In der Tat ist es erstaunlich, dass die Forderungen von Politikern sich meist nur auf Spitzenpositionen in der Wirtschaft beziehen. Eine Forderung nach einer Quote für schlecht bezahlte Jobs wie auf dem Bau, bei der Stadtreinigung oder der Müllabfuhr kam bisher noch nicht auf. Ein Blick in die Statistik lässt erahnen, dass das Gender Mainstreaming nur eine begrenzte Reichweite hat. Während 99,2 der Stellen für medizinische Fachangestellte in Arztpraxen von Frauen besetzt sind, sind sie unter Baumaschinenführern mit 0,2 Prozent nahezu nicht vertreten. Und auch in akademischen Berufen haben Frauen hierzulande miserable Aussichten, bei der letzten Evaluation des Statistischen Bundesamtes lag der Frauenanteil in der Professorenschaft mit 18,3 Prozent unter dem des Iran, der bei 20 Prozent liegt.
Da Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Medienberichten zufolge darüber nachdenkt, die Frauenquote zum Wahlkampfthema zu machen, appellieren die Gegner an die immer gleichen Ressentiments: Frauen in den Führungsetagen bewirkten nichts, schadeten den Unternehmen und zudem seien kaum ausreichend hochqualifizierte Frauen zu finden.

Studien aus Norwegen, wo es seit Jahren eine feste Quote gibt, könnten diese Kritiker verstummen lassen. In ihnen wird belegt, dass durch eine feste Quote ein langfristiges Umdenken bezüglich dem Frauenanteil im Beruf zustande kommt, da Frauen Vorbilder in traditionell männlich dominierten Berufen sein können. Auch wurde keinerlei nega­tiver Effekt auf die unternehmerischen Resultate der Firmen festgestellt. Im Gegenteil: Frauen, die aufgrund der norwegischen Frauenquote von 40 Prozent in die Verwaltungsräte aufgenommen wurden, hatten durchschnittlich höhere Qualifikationen als ihre männlichen Kollegen.
Doch die Ignoranz ist hierzulande institutionalisiert, denn dass Frauen in Führungspositionen automatisch eine Vorbildfunktion haben, widerlegt ausgerechnet Kristina Schröder. Betrachtet man das Organigramm des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, so findet sich unter Schröder lediglich eine weitere Frau in einer Führungsposition, immerhin in der Abteilung Gleichstellung.
Wenn die gesellschaftlichen Ursachen für die Diskriminierung von Frauen nicht beseitigt werden, hilft auch kein Staatsfetischismus. Dazu gehört auch jenes geschlechterstereotype Gerede, dass Frauen in Führungsetagen wesentlich empathischer und gewissenhafter arbeiteten oder längfristig planen könnten. Damit ist ganz sicher keine Emanzipation zu machen.