Das iranische Atomprogramm ist nicht nur ein Problem für Israel

Warum Israel?

In der Debatte über mögliche israelische Luftangriffe auf iranische Atomanlagen werden meist die falschen Fragen gestellt.

Der Behauptung, Israel sei das größte Hindernis auf dem Weg zum Weltfrieden, die Bekundung hinzuzufügen, man meine es nur gut mit den Israelis, ist eine deutsche Spezialität. Anderswo kommt man ohne diese Floskel aus, doch konzentriert sich die Debatte über einen möglichen Angriff auf iranische Atomanlagen auch außerhalb Deutschlands auf die Frage: Dürfen die das? Selten wird die Frage gestellt: Warum sollen es eigentlich gerade die Israelis tun?
»Überwindet eure Differenzen und schließt euch eng zusammen zur Vernichtung Israels«, forderte Ayatollah Khomeini bereits 1975, vier Jahre vor seiner Rückkehr in den Iran. Kaum an der Macht, erfand er 1979 den al-Quds-Tag, an dem fortan für die »Befreiung« Jerusalems demonstriert wurde. Doch für Khomeini war der al-Quds-Tag »nicht nur der Tag Palästinas«, sondern auch »der Tag der islamischen Herrschaft«, an dem »wir erfahren werden, wer und welche Regimes mit dem Islam sind und wer für Israel ist«.
Antisemitismus und Leugnung des Holocaust sind nicht die Hobbys einiger obskurantistischer Geistlicher und »Maulhelden«, sondern zentrale Bestandteile einer Lehre, die eine heilsgeschichtliche Führungsrolle für das iranische Regime vorsieht und in diesem Sinn die Geschichte umschreibt. Dieser Arbeit widmen sich zahlreiche Institute und Publikationen im Iran, die auch die Rolle des Mahdi, des Erlösers, in diesem Kontext diskutieren. Die Ansicht Präsident Mahmoud Ahmadinejads, die US-Regierung habe mit dem Irak-Krieg das Erscheinen des Mahdi verzögern wollen, ist Gegenstand »wissenschaftlicher« Debatten.
Als Feinde gelten in diesem Weltbild alle, die nicht »mit dem Islam sind«, sich also dem Führungsanspruch des iranischen Regimes nicht unterordnen wollen. Zu diesen Feinden zählen nunmehr auch sunnitische Islamisten, die arabischen Revolten waren für das iranische Regime ein ideologisches Stalingrad. Doch gerade weil auch dem borniertesten Ayatollah und Revolutionswächter langsam klar werden dürfte, dass der iranische Führungsanspruch außerhalb des Landes ähnlich bewertet wird wie der des »geliebten Führers« Nordkoreas, könnte die Bereitschaft steigen, größere Risiken einzugehen, um das Blatt doch noch zu wenden. Die israelische Bevölkerung ist am stärksten gefährdet. Aber auch wenn die iranischen Raketen wohl derzeit nur Griechenland erreichen können, das viele EU-Politiker ohnehin gerne loswerden würden, ist es nicht allein im Interesse der Israelis, das militärische Atomprogramm zu stoppen.
Doch im Umgang mit dem Iran scheint die »internationale Gemeinschaft« dem Motto Homer Simpsons zu folgen: »Kann das nicht jemand anders machen?« Wenn die Situation zu brenzlig wird, werden die Israelis schon handeln. Anschließend kann man erörtern, ob sie den Job anständig erledigt haben.
Bereits mehrere israelische Regierungen haben gefordert, dass die »internationale Gemeinschaft« sich des iranischen Atomprogramms annehmen soll, statt die Verantwortung einem Land zuzuschieben, das auch so genug Probleme hat. Insbesondere Deutschland hat lange ge­zögert, überhaupt zu reagieren, doch immerhin gelten seit Anfang des Jahres schärfere Sanktionen gegen den Iran. Sollten sie konsequent durchgesetzt werden, steht dem Regime eine existen­tielle Krise bevor, die innenpolitische Folgen haben wird. Doch wird die »internationale Gemeinschaft« wohl auch diesmal abwarten, bis die vorhersehbare Eskalation eingetreten ist.
Da die iranischen Machthaber keine Verhandlungsbereitschaft erkennen lassen, kann nur eine Revolution die militärische Eskalation stoppen. Wer den Krieg wirklich verhindern will, muss vor allem eine Frage beantworten: Was kann getan werden, damit die Iraner nicht ­wieder allein dastehen, wenn sie sich gegen die Diktatur erheben?