Alten-WG oder Ich-AG?

In den Fahrradständern vor dem Haus der Kulturen der Welt in Berlin ist kein Platz mehr frei. Auffallend viele Hollandräder sind dort geparkt, von denen auffallend viele liebevoll mit Aufklebern dekoriert sind. Es dominiert die rote Sonne des »Atomkraft? Nein danke«-Stickers, aber zwischendurch entdeckt man auch immer wieder das Apple-Logo. Trotz des sonnigen Samstagwetters haben sich im Innern des Gebäudes zahlreiche Menschen versammelt. Der Andrang beim Tazlab »Das schöne Leben« ist groß, zugleich wird auch das 20jährige Bestehen der Taz-Genossenschaft gefeiert. Die Wege, sich dem »schönen Leben« zu nähern, scheinen vielfältig. Das Programm reicht von den arabischen Aufständen bis zur Euro-Krise und von der »Occupy«-Bewegung bis zur Piratenpartei. Und natürlich darf auch ein wenig parteipolitische Prominenz nicht fehlen. Passend zum überwiegend grün-alternativen Milieu sind Winfried Kretzschmann, Boris Palmer und Daniel Cohn-Bendit angereist. Die Veranstaltung »Warum sind die Piraten so cool?« will der derzeit vieldiskutierten Frage nachgehen, ob sich die Grünen so langsam mal vor den Piraten fürchten sollten. Dumm ist nur, dass die beiden auf dem Podium sitzenden Mitglieder der Piratenpartei, Christopher Lauer und Christine Schinkel, demonstratives Desinteresse an grünen Befindlichkeiten und politischen Debatten zur Schau stellen. Lauer spielt mit seinem Handy, Schinkel redet ausschließlich über »squats«, »crews« und »pads«, das Publikum murrt. Da ist die Stimmung bei der Veranstaltung »Revolution now« schon wesentlich besser, allen Zielgruppen wird etwas geboten. Cohn-Bendit erfreut die Älteren, als es um das Thema Ideologie geht, mit dem Bekenntnis: »In einer WG mit Lafontaine und Wagenknecht möchte ich nicht wohnen.« Der Regisseur Paul Poet begeistert die Jüngeren mit seinem Statement zu den Sozialprotesten: »Wir sind alle Ich-AGs. Zusammenarbeit müssen wir lernen.« Und der Journalist Robert Misik meint: »Wir Linken sind nicht wahnsinnig geschickt.«