Amir-Abbas Fakhravar im Gespräch über die Zukunft der Opposition im Iran

»Ich bin gegen einen israelischen Angriff«

Amir-Abbas Fakhravar kam im Mai 2006 als politischer Flüchtling aus dem Iran zunächst nach Dubai. Im Iran war er zusammen mit anderen politischen Gefangenen des Studentenaufstandes von 1999 mehrere Jahre inhaftiert gewesen. Von Dubai ging er in die USA, wo er sich mit dem damaligen Präsidenten George W. Bush traf. Als Vorsitzender der Konföderation Iranischer Studenten setzt er sich unter anderem für ein Ölembargo gegen die Islamische Republik ein. Die Konföderation Iranischer Studenten, die bis 2001 aus strategischen Gründen den reformorientierten iranischen Präsidenten Khatami unterstützte, fordert heute eine säkulare Demokratie. Mit der Jungle World sprach Fakhravar über seine Reise nach Israel, die Reaktionen darauf und über die Zukunft des Iran.

Sie sind im Januar dieses Jahres als erster bekannter iranischer Exiloppositioneller nach Israel gereist. Warum?
Zunächst einmal wollte ich das Tabu brechen. 2006 habe ich das Tabu gebrochen, mit den Amerikanern zu reden. Iranische Oppositionelle wollten nicht öffentlich mit den Amerikanern reden oder auch nur auf Bildern mit ihnen auftauchen. Meine Organisation und ich haben mit den Amerikanern geredet und das öffentlich gemacht. Es folgte eine große Kontroverse innerhalb der iranischen Opposition, viele haben uns angegriffen und uns sogar als »Spione der Amerikaner« bezeichnet. Dann haben sie realisiert, dass sie eigentlich das Gleiche machen müssen. Und plötzlich gab es viele iranische Oppositionelle, die ein Bild zusammen mit der amerikanischen Regierung wollten. Als ich nach Israel gereist bin, war viel die Rede davon, Israel könne den Iran angreifen. Wir haben gesagt: »Okay, lass uns da hingehen.« Selbst viele meiner Freunde haben mir zunächst davon abgeraten, ich würde meine politische Zukunft ruinieren. Aber mir war es das wert. Nach meinem ersten Interview im israelischen Fernsehen hat ein israelisches Paar die Kampagne »We Love Iranians« ins Leben gerufen und Iraner in der ganzen Welt antworteten mit der Kampagne »We Love Israelis«. Das war großartig.
Hat Ihr Besuch viel Aufmerksamkeit erregt?
Ich war als Sprecher zur jährlichen Herzliya Conference des Institute for Policy and Strategy eingeladen. Das ist eine wirklich wichtige Konferenz. Und ich war Hauptredner im israelischen Parlament. Ich hatte die Chance, direkt mit politischen Entscheidungsträgern zu sprechen. Zehn Tage lang wurde täglich in einer der wichtigeren Zeitungen oder Fernsehsendungen über mich berichtet.
Was haben Sie in Israel gesagt?
Ich habe gesagt, dass ich gegen einen israelischen Angriff auf den Iran bin: Es ist nicht gut für Israel, es ist nicht gut für Israels Verbündete, insbesondere die USA, und es ist nicht hilfreich, weil dann die Islamische Republik sich nach außen als Opfer darstellen kann, um sich irgendwie zu legitimieren. Das macht sie gut und gerne.
Wie wurde in Israel auf Sie reagiert?
Ich hatte eine Menge sehr guter Treffen mit Leuten aus der Regierung, einigen Ministern und ein paar Oppositionspolitikern, darunter Tzipi Livni. Als ich sie getroffen habe, war das Interesse der Medien groß. Ich habe auch einige hohe Generäle getroffen. Wenn ich eine andere Botschaft gehabt hätte, hätte ich vielleicht auch den Ministerpräsidenten getroffen. Aber vermutlich mochte er meine Botschaft nicht. Aber ich glaube wirklich, ein Angriff wäre weder gut für Israel, noch für die iranische Bevölkerung oder unsere Bewegung.
Wie wurde das im Iran aufgenommen? Haben iranische Medien von Ihrem Besuch berichtet?
Jede Nacht, die ich in Israel war, gab es eine Art Sondersendung zur Hauptsendezeit im iranischen Fernsehen über mich. Mehr als eine Woche lang! Das war wirklich kostenlose Werbung für mich, meinen persönlichen Dank an Khamenei. Und dabei kam ich bei der iranischen Bevölkerung gut an. Das war natürlich nicht die Absicht der Regierung. Sie wollte zeigen: »Amir Fakhravar paktiert mit unseren Feinden, den Zionisten.« Aber die Iraner mochten das.
Wie konnten Sie das feststellen?
Durch Kommentare, auf Facebook, überall. Und an den Kampagnen »We Love Iranians«, bzw. »We Love Israelis« nehmen bis heute Tausende Israelis wie Iraner teil. Und all das hat meine Reise losgetreten. Sogar der exilierte Sohn des letzten Schahs, Kronprinz Reza Pahlavi, hat jetzt beschlossen, einem israelischen Fernsehsender ein Interview zu geben – nach 33 Jahren im Exil.
Das hat er wirklich nie zuvor gemacht?
Nein, erst nach meiner Israel-Reise. Das war schon komisch. Sein Team hat geschrieben, dass Prinz Reza Pahlavi das Tabu gebrochen habe. Sogar die Medien der Islamischen Republik haben sich über diese Behauptung lustig gemacht. Die Tageszeitung Keyhan, die als Sprachrohr des religiösen Führers Ali Khamenei gilt, hat einen Artikel veröffentlicht, in dem es sinngemäß hieß: »Reza Pahlavi behauptet, er habe das Tabu gebrochen, aber wir können uns sehr wohl erinnern, dass es Amir Fakhravar war. Er folgt lediglich dem Beispiel Amir Fakhravars.«
Und wie hat die iranische Opposition im Ausland auf ihre Israel-Reise reagiert?
Definitiv hassen sie mich. Aber das ist wie bei einem Marathon. Tausende fangen an der Startlinie an, am Ende kann aber nur einer gewinnen. Wer am weitesten vorne ist, wird die Zielscheibe für die Angriffe aller anderen, die bereits zurückgefallen sind. Aber mich stört das nicht, ich betrachte diese Art negative Publicity ebenfalls als kostenlose Werbung. Aber auf den Rest der Opposition kommt es nicht an. Sie haben ihre Ansichten, die ich respektiere, auch wenn ich sie nicht teile. Es kommt mehr auf die Iraner an, die gar nicht in diese Art von Politik involviert sind.
Wie meinen Sie das?
Das sind die Leute, die entscheiden müssen, welche Ideen ihnen gefallen. Ich war im April in Malaysia, dort leben 100 000 Iraner. Zusammen mit denen, die aus Iran hin- und herpendeln, sind es sogar 200 000. Kuala Lumpur ist voll von Iranern. Viele von ihnen sind in den vergangenen drei Jahren dort hingezogen, seit der Grünen Bewegung. Während des persischen Neujahrsfests war ich in einem persischen Restaurant, in dem etwa 100 oder 200 Iraner waren, ein besonderes Ereignis. Ich kam mit ein paar Leuten meiner Organisation, wir waren ein Dutzend Leute. Der Besitzer kam auf mich zu und sagte: »Sind Sie Amir Fakhravar?« Ich sagte: »Ja, aber bitte behalten sie das ›off the record‹.« Vielleicht war sein Englisch nicht so gut und er hat verstanden: »Please record it.« Er sprang nämlich auf die Bühne für die Musiker und kündigte mich als »unseren Helden Amir Fakhravar« an. Dann sind alle aufgestanden und haben die alte iranische Nationalhymne, »Ey Iran«, gesungen. Dann war mir klar: Das sind meine Leute.
Was glauben Sie, wie sich die internationale Politik gegebüber dem Iran entwickeln wird?
Der 1. Juli ist das entscheidende Datum. Ich hoffe ja, dass die »5+1«-Verhandlungen zwischen den EU-Staaten und dem Iran scheitern und die Ölsanktionen verhängt werden. Knapp zehn Tage darauf ist dann der Jahrestag des Studentenaufstandes vom 9. Juli 1999, an dem ich auch maßgeblich beteiligt war. Seitdem sind die ersten zwei Juliwochen sehr heiße Wochen in der iranischen Politik. Ich vermute, die Wirtschaft wird endgültig völlig zusammenbrechen. Wir werden eine Menge Aufstände und Kämpfe im Iran sehen. Der Iran wird wieder die volle Aufmerksamkeit der »internationalen Gemeinschaft« haben.
Was könnte weiter passieren?
Wenn das Regime keine Einnahmen mehr durch sein Öl erzielen kann, dann kann es seine ganzen Sicherheitskräfte nicht mehr bezahlen und sie werden anfangen, sich untereinander zu bekämpfen, die Basiji, die Revolutionsgarden, das Geheimdienstministerium, die Polizei. Sie hängen am Tropf des Regimes und wenn es sie nicht mehr bezahlen kann, werden sie sich gegen es wenden.
Das klingt nach einem Bürgerkrieg. Besteht nicht auch das Risiko, dass eine Situation wie in Syrien entsteht?
Ich denke, Bashar al-Assad wird so enden wie sein Freund Gaddafi in Libyen. Aber im Iran wird es nur einen Bürgerkrieg unter den Sicherheitskräften geben, die Bevölkerung hat ja keine Waffen. Und dann gibt es noch die reguläre Armee, die noch aus der Zeit des Schahs stammt. Die Armee unterstützt die Regierung nicht auf dieselbe Weise wie die Sicherheitskräfte, die nach der Revolution geschaffen wurden. Bisher hat sie stillgehalten, sie ist in ihren Baracken. Es ist eine große Armee, acht Jahre lang hat sie im Krieg gegen den Irak das Land verteidigt. Mein Vater diente in der Luftwaffe. Ich habe mit der Armee gelebt und ich kenne die Gefühle der Armeeangehörigen gegenüber der Regierung. Die Armee wird auf der Seite der Bevölkerung stehen, falls es zu einem Bürgerkrieg kommt. Und die Revolutionsgarden haben wirklich Sorgen wegen der Armee, sie wollen sich auch nicht mit ihr anlegen. Ich denke, an einem bestimmten Punkt werden sie einfach aufgeben.