Die Wahlen in NRW

Karriere geknickt

Nicht nur Norbert Röttgen hat bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ­verloren.

Mit einer Niederlage in Nordrhein-Westfalen hatte die CDU schon vor der Wahl gerechnet, schließlich hatte ihr Kandidat Norbert Röttgen im Wahlkampf eine ausgesprochen unglückliche Figur abgegeben. Dass das Ergebnis dermaßen desaströs ausfallen sollte, hatte man allerdings nicht erwartet. Ein Wahlergebnis unter 30 Prozent wäre eine Blamage, hieß es bei der CDU vor der Landtagswahl. Die Blamage ist perfekt, mit 26 Prozent erzielte Röttgen das historisch schlechteste Resultat der CDU in Nordrhein-Westfalen. Am Abend der Niederlage wirkte Röttgen dann erstaunlich souverän, man könnte fast sagen, erleichtert. Weil der vorherigen rot-grünen Minderheitsregierung durch die Wahl eine klare Mehrheit beschert wurde, darf er vorerst Bundesumweltminister in Berlin bleiben und endet zumindest nicht als Juniorpartner von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) in einer Großen Koalition. Röttgen übernahm die alleinige Verantwortung für das Debakel und teilte mit, dass er seinen Posten als CDU-Landesvorsitzender räumen werde.
Der Rücktritt dürfte ihm nicht schwergefallen sein, um den Posten hatte er sich ohnehin nur aus machtpolitischem Kalkül für seine bundespolitische Karriere beworben. Dass er nicht bereit war, auch als Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag zu hocken, ließ ihn schon zu Beginn des Wahlkampfs als Verlierer dastehen. Auch ansonsten agierte »Muttis Klügster«, wie er bisher oft genannt wurde, nicht sonderlich clever. Zum Entsetzten seiner Parteifreunde war Röttgen allerdings treffsicher, als er die Wahl als Abstimmung über die Euro-Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel beurteilte. Nach harrscher Kritik aus den eigenen Reihen nahm er diese Einschätzung zwar zurück, aber weil die CDU bei sämtlichen vorherigen Landtagswahlen selbst die Euro-Krise zum Wahlkampfthema gekürt hatte, war das wenig glaubwürdig. Zudem hatte Merkel in den Wochen zuvor eifrige Wahlkampfhilfe für ihren Umweltminister geleistet und bei ihren Auftritten stets ihre Sicht der Euro-Politik kundgetan. Das passte ja auch hervorragend zu einem Bundesland, in dessen Kommunen und Städten die Medien »griechische Verhältnisse« zu erkennen glauben. Und das nicht erst seit dem Antritt von Rot-Grün, bereits 2010 noch unter der schwarz-gelben Landesregierung forderten zahlreiche Bürgermeister des Landes einen »Rettungsschirm« für ihre notleidenden Kommunen. Mit der Sparpolitik und deren Folgen kennen sich die Bürger in NRW bestens aus. Dass Sparen nicht weh tue, wie Röttgen im Wahlkampf verkündete, konnte ihm in diesem Land wirklich niemand abkaufen. Und auch Merkels Devise vom Sparen als Allheilmittel fand keinen Anklang. Dass die Wähler dem FDP-Kandidaten Christian Lindner jedoch glaubten, die monothematische Steuersenkungspartei verfüge plötzlich über eine Expertise beim Schuldenabbau, ist wohl den Medien geschuldet, die ihn eifrig zum »Retter der FDP« stilisierten und seinen Wahlkampf völlig unkritisch begleiteten.
Während im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin früh die Lichter ausgingen, wurde bei der SPD im Willy-Brandt-Haus der Wahlerfolg von 39 Prozent ausgiebig gefeiert. Nur zwei Herren sahen nicht besonders glücklich aus: Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier. Politisch sind die Kanzlerkandidatenanwärter Steinmeier und Steinbrück von Merkel kaum zu unterscheiden. Vermutlich ist ihnen an diesem Abend klargeworden, dass man zwar mit Merkel, aber nicht mehr mit Merkels Politik Wahlen gewinnen kann.