Die Forderung, Islamfeindlichkeit strafbar zu machen

Hassen nach Vorschrift

Angesichts einer Anschlagsserie auf Moscheen in Niedersachsen fordert der Verband der islamischen Gemeinden die Einführung des Straftatbestands »Islamfeindlichkeit«.

Die Täter kamen am frühen Abend. Durch das geöffnete Küchenfenster warfen sie eine brennende Plastiktüte in die al-Ummah-Moschee im Hannoverschen Stadtteil List. Die Gardinen fingen sofort Feuer, eine Anwohnerin, die die beiden Brandstifter beobachtet hatte, alarmierte die beim Abendgebet versammelten Gemeindemitglieder.

Der Anschlag am Pfingstmontag war der dritte auf eine niedersächsische Moschee in wenigen Wochen. Zuvor hatten Unbekannte bereits Feuer in den islamischen Zentren in Wilhelmshaven und Delmenhorst gelegt. In beiden Fällen wurden die Flammen rechtzeitig entdeckt und gelöscht. Im selben Zeitraum seien abgeschnittene Schweineköpfe vor muslimischen Einrichtungen ab­gelegt worden, berichtet der Verband der islamischen Gemeinden in Niedersachsen, Schura e. V. Die Polizei sucht in allen drei Fällen bislang erfolglos nach den Tätern.
»Muslime sind in Deutschland als Gruppe gefährdet«, sagt das Vorstandsmitglied der Schura, Firouz Vladi. Im ganzen Land beklagten muslimische Gemeinden Beschmierungen, versuchte Brandstiftungen oder ähnliche Taten. »Jetzt nehmen solche Angriffe zu«, sagt Vladi. Die Debatte um die Salafisten habe die Stimmung feindseliger werden lassen. Kurz vor dem Anschlag war die al-Ummah-Moschee in der ZDF-Reportage »Gewalt im Namen Allahs« als Zentrum von Salafisten dargestellt worden. Die Gemeinde hat sich deshalb bei dem Sender beschwert und prüft derzeit rechtliche Schritte.
Vladis Verband, der etwa 90 muslimische ­Gemeinden in Niedersachsen vertritt, hat nun gefordert, Islamfeindlichkeit als eigenen Straftat­bestand einzuführen. »Das läuft im Moment alles als Hasskriminalität und stellt einfach auf die emotionale Einstellung des Täters ab«, bemängelt Vladi. Tatsächlich sei aber eine »Kollektivierung von Vorurteilen« der Grund für die Anschläge. »Der Staat erfasst diese Taten nicht gesondert. Deswegen gibt es auch keine politischen Antworten auf sie.« Auch der Kooperationsrat der islamischen Gemeinden diskutiere die Forderung.
Ob dann nicht auch zum besseren Schutz von­ Roma, Juden oder Homosexuellen eigene Tatbestände eingerichtet werden müssten? »Das wäre natürlich Aufgabe der betroffenen Gruppen«, antwortet Vladi. Der Vorschlag sei in seinem Wortlaut nicht überzubewerten, »das ist alles noch unausgegoren«. Es gehe den Muslimen um »ein ­Signal«, Islamfeindlichkeit nicht länger als subjektives Problem einzelner, sondern als strukturelle Kategorie anzuerkennen. Und genau das leiste der Begriff der »Hasskriminalität« nicht.

»Hasskriminalität« wird zum einen in Paragraph 130 des Strafgesetzbuchs als das Delikt der Volksverhetzung erfasst. In seiner derzeit gültigen Fassung stellt der Paragraph es unter Strafe, gegen eine »nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe zum Hass aufzustacheln«. Antimuslimische Taten lassen sich damit durchaus ahnden. Der Passus soll noch erweitert werden. Am Mittwoch dieser Woche debattierte der Rechtsausschuss des Bundestages über einen Vorschlag der Grünen. Diese wollen den Paragraphen so ergänzen, dass alle Gruppen einzeln aufgeführt werden, gegen die nicht wegen »ihrer sexuellen Identität, ihres Geschlechts, ihrer Weltanschauung, ihrer Behinderung oder ihres Alters« gehetzt werden darf.
Zum anderen richtet sich die Schwere der Strafe für »Hasskriminalität« nach Paragraph 46 des Strafgesetzbuchs. Dieser sieht vor, dass die »Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille« für die Strafe bedeutend sein sollen. Auch darüber wurde am Mittwoch debattiert. Die SPD will »rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende« Motive in den Paragraphen aufnehmen. Diese sollen künftig strafverschärfend wirken. Den Sozialdemokraten geht es dabei vor allem um Nazis, die entsprechende Taten begehen.
Sechs Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt in Ostdeutschland haben dies als Symbolpolitik kritisiert. Das Merkmal »sonstige Menschenverachtung« berge die Gefahr, dass die Regelung »unzulässig ausgeweitet und dabei die politische Dimension ausgeblendet« werde, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Der Begriff klammere »die gesellschaftlich relevante Rahmung rechter Gewalt« völlig aus. Die Beratungsstellen verlangen, explizit »Rassismus, Antisemitismus, Sozialdarwinismus, Homo-/Transphobie sowie Angriffen auf Menschen mit Behinderung, auf nichtrechte/alternative Jugendliche und gegen Neonazis engagierte Personen« aufzulisten.
Wolfgang Nekošvić, Abgeordneter der Linkspartei im Bundestag, hält hingegen nicht viel von einer Erweiterung der Straftatbestände. »Zur Bekämpfung von rechtsextremistischen Gewalt­taten müssen alle Mittel ausgeschöpft werden, auch im Strafrecht«, sagt der ehemalige Bundesrichter. Doch die bestehenden Gesetze seien ausreichend, um angemessen auf rechtsextreme Gewalttaten zu reagieren. »Das gilt auch für solche Gewalttaten, die sich gegen eine bestimmte Religion richten.« Das Strafgesetzbuch kenne eine Reihe von Strafvorschriften, die sich auf Religion und Weltanschauung beziehen. Die »Störung der Religionsausübung« bilde beispielsweise einen eigenen Straftatbestand.

Bei dem Vorschlag, einen besonderen Straftatbestand »Islamfeindlichkeit« zu schaffen, bleibe hingegen völlig unklar, was damit gemeint sei. »Es ist insbesondere nicht erkennbar, welches konkrete Verhalten als ›islamfeindlich‹ unter Strafe gestellt werden soll«, sagt Nešković. Im Übrigen dürfe der staatliche Schutz der Religionsausübung in einem säkularen Gemeinwesen »nicht den Schutz der Religion an sich bezwecken«. Nešković hält es deshalb für »unangebracht, mit den Mitteln des Strafrechts gesellschaftliche Diskussionen über religiöse Dogmen zu tabuisieren oder die Festigkeit im Glauben, die Unantastbarkeit einer Gottheit oder eines Religionsstifters schützen zu wollen«.