Der Drogenkrieg nützt der Partei PRI

Durch den Drogenkrieg eskaliert die Gewalt

Die Präsidentschaftswahlen in Mexiko finden während eines sogenannten Drogenkriegs statt, der ganze Städte und Regionen des Landes in den Ausnahmezustand versetzt hat. Vielen Menschen erscheint da die Rückkehr zu den starren Machtstrukturen der Partei der Institutionellen Revolution (PRI) verlockend.

Im Leichenschauhaus von Ciudad Juárez musste irgendwann die Nachtschicht eingeführt werden. Seit dem Einmarsch des Militärs in die Stadt im Jahre 2008 und der Eskalation der Gewalt sei das Arbeitspensum anders nicht mehr zu erfüllen, berichtet Direktor Oscar Villanueva müde. »Viele Körper kommen furchtbar entstellt bei uns an. Wir können sehen, wie brutal die Menschen misshandelt, gefoltert und verstümmelt wurden, bevor sie starben.«
Auch Polizei und Militär sind an den Grausamkeiten des sogenannten Drogenkrieges beteiligt. »Vor ein paar Wochen brachte uns die Polizei die Leichen von vier Häftlingen, die so brutal misshandelt worden waren, dass sie durch einfaches Anschauen nicht mehr zu identifizieren waren«, fügt der Familienvater hinzu. Dass es sich bei all den Toten um Angehörige der Drogenmafia handele, wie dies die Regierung von Präsident Felipe Calderón behauptet, bezweifelt er. »Eine Beerdigung kostet rund 300 Dollar, und die Familien der angeblichen Drogenhändler können sich dies oft einfach nicht leisten.«
Dass im Drogenkrieg vor allem die Armen sterben, bestätigt auch der Ombudsmann für Menschenrechte des Bundesstaates Chihuahua, Gustavo de la Rosa. »Sie können sich weder ein sicheres Wohnviertel noch das Exil leisten und sind Opfer von massiven Menschenrechtsverletzungen durch Polizeieinheiten. Menschen werden in den marginalisierten Stadtteilen manchmal scheinbar wahllos verhaftet und aus ihren Häusern entführt.« Unschuldige würden unter Folter zur Falschaussage gezwungen und den Medien in entwürdigender Art und Weise als »Drogenhändler« oder »Narcokiller« präsentiert. »Die korrupte Bundespolizei ist mit Raub und Erpressungen zu einer Geißel der Bevölkerung geworden.«

Von der Bundespolizei wird angenommen, dass sie in den vergangenen Jahren das örtliche Juárez-Kartell zerschlug, um dem Sinaloa-Kartell Zutritt zur Stadt zu verschaffen. Calderóns Sicherheitsminister Genaro García Luna werden enge Verbindungen zu diesem Kartell nachgesagt. Angesichts dessen erscheint das Projekt des Drogenkrieges nicht als allgemeiner Krieg gegen die Kartelle, sondern als Strategie, um die Gewinne aus dem Drogenhandel zu monopolisieren.
»Der Krieg gegen die Drogen hat sich dabei zu einem Krieg gegen die Bevölkerung entwickelt. Zivilgesellschaftliche Rechte wurden zugunsten der nationalen Sicherheit ausgehebelt.« De la Rosa gibt an, dass er sich angesichts der eskalierten Situation ausschließlich um die »Verschwundenen« kümmern könne und diese in lediglich 24 Stunden in den Militär- oder Polizeikasernen ausfindig machen müsse, da sie sonst tot aufgefunden würden. »Folter, extralegale Hinrichtungen und gewaltsames Verschwindenlassen sind die drei Elemente eines Terrors gegen die eigene Bevölkerung, der sich unter der gegenwärtigen Regierung etabliert hat.«
Das Alltagsleben in Städten wie Ciudad Juárez und Veracruz änderte sich, als Präsident Felipe Calderón den »Krieg gegen die Drogen« erklärte. Er holte sich das Militär an die Seite und schaffte mit dem Drogenhandel einen gemeinsamen Feind, um seine schwache und umstrittene Regierung zu stabilisieren. Der mexikanischen Wahlbehörde IFE zufolge erreichte Calderón von der Partei der Nationalen Aktion (PAN) bei den Präsidentschaftswahlen von 2006 lediglich eine Stimmmehrheit von 0,56 Prozent. Viele Kritiker gingen wegen Unregelmäßigkeiten jedoch von Wahlbetrug aus. Die Anhänger des linken Gegenkandidaten Andrés Manuel López Obrador kampierten monatelang im Zentrum der Hauptstadt, um gegen die Amtsübernahme Calderóns zu protestieren.

Dessen Drogenkrieg hat in Mexiko schließlich zu einer Eskalation der Gewalt geführt. Mittlerweile haben die Opferzahlen 60 000 überschritten, schätzungsweise 150 000 Menschen sind aus den im Drogenhandel umkämpften Gebieten geflohen. »Mit dem Krieg werden jedoch nicht zuletzt die sozialen Bewegungen unter Kontrolle gehalten«, konstatiert Perla de la Rosa, Direktorin der international renommierten Theatergruppe Telón de Arena und Mitglied der »Kulturbewegung gegen den Krieg« in Ciudad Juárez.
»Im Wahljahr 2006 gab es immerhin zwei zivilgesellschaftliche Erhebungen gegen den Staat, die nur mit brutaler Polizeigewalt niedergeschlagen werden konnten.« Zum einen im Bundesstaat Oaxaca und zum anderen in San Salvador Atenco im Bundesstaat México unter Gouverneur Enrique Peña Nieto, der nun zur Präsidentschaftswahl antritt. »Der Drogenkrieg ist auch ein Instrument staatlicher Kontrollpolitik.« Perla de la Rosas aktuelles Stück »Der Feind« zeigt eine Clique von Jugendlichen, die beim Graffitisprühen gefasst wird und die entfesselte Staatsgewalt zu spüren bekommt.
In den vom Drogenkrieg am meisten betroffenen Landesteilen im Norden und an der Golfküste hoffen nun viele Menschen auf eine Rückkehr der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI), die einst 71 Jahre lang Mexiko regierte. »Als der PRI an der Macht war, lebten wir wenigstens in Frieden«, sagt Taxifahrer Alberto Vega aus dem Juárez-Tal. Er will seine Stimme am Wahlsonntag Enrique Peña Nieto geben.
Dieser kündigte vor wenigen Tagen an, General Oscar Naranjo, ehemaliger Kommandeur der Nationalpolizei in Kolumbien, als Berater nach Mexiko zu holen. General Naranjo avancierte unter Präsident Álvaro Uribe zu einem führenden Akteur im kolumbianischen Drogenkrieg. Der mexikanische Drogenkrieg dürfte demnach auch unter einer PRI-Regierung weitergeführt werden. Und für die Bevölkerung ist auch unter der alten Staatspartei wohl kein Ende der Gewalt in Sicht.