Hybride Klänge

Es ist nicht leicht, die Musikerin Frau Kraushaar irgendwie einzuordnen. Die in Bayern aufgewachsene Halbtunesierin tritt stets mit einem musikalischen wie performativen Pastiche auf. Zwischen Ethno-Exotismus, Chanson und Konzeptkunst rubriziert man die Musikerin, und dennoch liegt sie mit ihren Arbeiten immer auch ein Stück daneben und entzieht sich der Zuordnung. Deplatziert posiert sie auch auf dem Cover ihres neuen Albums »The Power of Appropriation«: Im Frida-Kahlo-Look mit neonblauer Nylonstrumpfhose sitzt sie auf dem Boden eines kahlen Zimmers. Das ist die Haltung, mit der sie sich auf der neuen Platte internationales Liedgut angeeignet und es verfremdet hat. Melodien und Sprachen aus acht Ländern werden so gesungen, dass die Originalsprache zu einem an Esperanto erinnernden Neusprech wird und die Musik zum schrägen Folk-Pop. Im Vorwort des Booklet beschreibt Justin Hoffmann (FSK) die Musik als »Gratwanderung zwischen Liebe und dem Drang nach Unterwerfung, zwischen Kolonisierung und Entdeckerlust«. Musikalisch stellt das Album einen Quantensprung in Kraushaars Karriere dar. Der unorthodoxe Volksmusik-Pop braucht Geige, Tabla, Klarinette und Piano und lässt sich nicht mehr eindeutig im Elektro-Pop verorten.
Das Verweilen im Dazwischen ist das Programm einer Platte, die von der Musikerin und Bildenden Künstlerin als ein Gesamtkunstwerk konzipiert ist. Hier wird das Interesse am Hybriden geweckt, ob im Hinblick auf ethnische Identitäts- oder auf künstlerische Genrezuschreibungen.

Frau Kraushaar: The ­Power of Appropriation. Materie Records/Rough Trade