Weg vom Netz

Fußball, das haben jetzt wirklich alle mitbekommen, ist nicht mehr das Spiel, bei dem 22 Spieler auf dem Platz dem Ball hinterherrennen, und am Ende gewinnt wahrscheinlich schon die bessere Mannschaft. Nein, Fußball ist ein von tausend Analysen geprägter Zweikampf, bei dem die Mannschaft mit der besseren Taktik die Nase vorn hat, weil technisches Können bloß noch die Grundvoraussetzung ist, um überhaupt bei einer EM dabei sein zu können. Im Tennis wünscht sich Richard Schönborn, der einst Cheftrainer des Deutschen Tennisbundes war, eine ähnliche Entwicklung. In den Tennisschulen, den Tennisinternaten, den Tennisleistungszentren werde Technik bis zum Umfallen trainiert. Strategie und Taktik, so behauptet er, würden dabei vernachlässigt, dabei seien sie genauso wichtig wie die Technik.
Aha, denkt man sich da als Laienspieler. Klingt interessant. Technisch lässt das eigene Spiel schließlich arg zu wünschen übrig, wie gut wäre es da doch, mit der richtigen Taktik die Mängel der unglaublich schlechten Rückhand kompensieren zu können. Doch schnell merkt man dann leider, dass man von Schönborns Tipps auf dem Platz auch nicht viel hat. Er analysiert fleißig die aktuellen taktischen Entwicklungen im Profitennis – Serve-and-Volley ist out, beispielsweise – aber was diese Erkenntnis bringt, wenn man demnächst wieder selbst gegen ein Aufschlagmonster spielen muss, das entgegen des Trends bei den Profis andauernd ans Netz rennt, ist äußerst unklar.

Richard Schönborn: Strategie und Taktik im Tennis. Wagner Verlag, Gelnhausen 2012, 247 Seiten, 29,80 Euro