Baumärkte abschaffen!

Nieder mit der Heimwerker-Querfront!

Nur durch widrige Umstände wie schlimme Kindheit oder falsche Freunde wird aus einem Menschen ein Heimwerker oder eine Heimwerkerin.

Nur damit das schon mal klar ist: Ziemlich bald nach der Revolution – wir reden hier natürlich von dem Umsturz, den wir gewonnen haben werden – muss die Heimwerkerproblematik angepackt werden. Allein schon, damit endlich Ruhe ist. Heimwerker sind nämlich, jedenfalls in ihrer überwiegenden Mehrheit, Abgesandte des Frühaufsteherterrorregimes. Die ihr schreckliches Tun in aller Regel im Morgengrauen beginnen. Um Punkt acht (in den östlichen Bundesländern exklusive Westberlin sicher um Punkt viertel nach sieben) fangen sie an zu bohren, zu hämmern, zu sägen und was auch immer sonst noch ausgewiesen viel ruhestörenden Lärm produziert, inklusive, natürlich, viel lautem Gefluche, weil der 17er-Dingenskopf nicht auf das dusselige Dangens passt oder so ähnlich.
Nach der Revolution wird Heim- und Handwerken vor, sagen wir, 14 Uhr jedenfalls verboten. Das wird jedoch nicht reichen, denn da ist ja noch das Baumarktproblem. Was hämmer- und bohrwütige Menschen in ihren natürlichen Habitaten veranstalten, könnte einem eigentlich vollkommen egal sein, würden die Tempel des Selbermachirrsinns nicht – und das auch noch in zentraler Lage – so schrecklich viel Platz beanspruchen, der viel besser für Schuhgeschäfte, hübsche kleine Parks und Wellnessoasen oder Computerläden genutzt werden könnte.
Aber nein, Schrauben. Regale voller Schrauben. Lange Regalreihen, um genau zu sein, vor denen Heimwerker ekstatisch herumstehen und das Wunderbare des Angebots kaum fassen können. Schrauben, so viele Schrauben – und da hinten erst: Bretter!

Bis zur Revolution wird es jedoch bedauerlicherweise noch etwas dauern, weswegen an der Heimwerkerei und ihren lästigen Folgen derzeit auch noch nicht viel zu ändern ist. Vielleicht wäre es ja aber möglich, die durchaus geschickte Lobby­arbeit des Do-it-yourself-Packs zu torpedieren. Denn die Schraubenfetischisten haben es geschafft, dass Löcherbohren und Nägel-in-Sachen-hämmern-Können nicht nur zu absolut ange­sehenen Fähigkeiten geworden sind. Sondern, und das ist sehr anstrengend, auch noch als Skills betrachtet werden, über die eigentlich jeder verfügen muss. Muss. Dass man sich nicht dafür interessiert, andere Sprachen zu lernen, dass man es überflüssig findet, sich über die neuesten Tech-Entwicklungen zu informieren, dass man gar nicht daran denkt, sich den Un­terschied zwischen Gotik und Romanik (Tipp: Spitzbögen und Rundbögen) zu merken – alles vollkommen egal. Hingegen geraten Menschen, die noch nie in ihrem Leben ein Loch in eine Wand oder in ein Brett gebohrt haben, regelmäßig unter immensen Rechtfertigungsdruck. Das muss man doch können, das ist doch gar nicht so schwer, wie kann man denn nur – die fast schon beleidigten Vorwürfe (Heimwerken ist nämlich offenbar eine Sache der Moral, und wer keine Stichsäge hat, kann im Grunde gleich einpacken) sind vermutlich hinreichend bekannt. Und überhaupt: Du könntest, du willst ja nur nicht. Genau. Aber während alle anderen, die irgendwas partout nicht wollen, einfach in Ruhe gelassen werden, läuft die Heimwerker-Querfront aus bürgerlichen und irgendwie alternativen Sachenselbermach-Fanatikern im Verweigerungsfall zur ganz großen Form auf. Und berichtet mit Hingabe von selbst entworfenen Hochbetten, kunstvoll hergerichteten Badezimmern und günstig erworbenem Massivholz, das zu einer supertollen Anrichte, über die noch jeder Besuch in Begeisterungsstürme ausgebrochen sei, sowie, ach übrigens heißt es eigentlich Schraubendreher, wusstest du das? Ja.

Dabei sollten die Bastler doch grundsätzlich gar kein Interesse an noch mehr Heimwerkern haben, denn – und das ist ein weiterer nervender Punkt: Sie brauchen Publikum. In der Geschichte der Menschheit ist jedenfalls noch kein Fall bekannt geworden, in dem jemand auch nur einen Nagel eingeschlagen hätte, ohne irgendwen zum Zuschauen und Gerätereichen zu verpflichten, dem detailliert erklärt werden muss, wie schwierig das alles ist und wie ungeheuer wichtig und wusstest du eigentlich, dass es in Wirklichkeit Schraubendreher … ?
Ja, verdammt. Und ich weiß noch was: Wenn der eigentlich brauchbare und sicher nur durch widrige Umstände wie schlimme Kindheiten und falsche Freunde in die Fänge der Baumarktmafia geratene Teil der deutschen Heimwerkerschaft ihr Tun mal für wenigstens eine Woche sein ließe – also weder tolle runde Tische für die ganze WG noch ausgeklügelte Regalsysteme noch Bettlandschaften baute und die blöde Schublade in Omas alter Kommode noch ein bisschen länger ungeleimt und unbehämmert vor sich hin quietschen ließe – und sich stattdessen auf die Revo­lution konzentrierte, wären wir alle schon viel weiter. Zumindest ausgeschlafener. Um den Rest kümmern wir uns dann, wie gesagt, später. Und nein, es wird keinesfalls verboten werden, Schraubenzieher zu sagen.