Ein Porträt von Greuther Fürth

Statt Teeblatt wieder Kleeblatt

Auferstanden aus Ruinen: ein Porträt des Neu-Bundesligisten Greuther Fürth.

Dass er noch einmal an den Traum­ort seiner Kindheit, den Ronhof, die Spielstätte der Spielvereinigung Fürth, zurückkehren würde, hätte der 89jährige Henry Kissinger wohl nicht mehr erwartet. Der ehemalige US-Außenminister, der in Fürth geboren und 1938 von dort vertrieben wurde, wird ein Versprechen einlösen, das er gab, als seine Spielvereinigung in der Dritt- und Viertklassigkeit dümpelte: Nämlich persönlich dabei zu sein, wenn Fürth je in der Bundesliga spielen sollte.
Aber nicht nur wegen seines prominentesten Fans ist der 52. Bundesligist in der Geschichte der obersten Spielklasse ein ungewöhnlicher Verein. Er ist ein Verein, in dessen frühem Ruhm und langer Agonie sich Aufstieg und Niedergang einer Stadt spiegeln, der ein NS-Funktionär 1933 ins Stammbuch schrieb: »Hier in Fürth, der Stadt, die einst rot und total verjudet war, wird wieder eine saubere ehrliche deutsche Stadt gemacht.« Die Spielvereinigung war dem Regime aus ähnlichen Gründen missliebig, und so begann der schleichende Niedergang des dreifachen deutschen Meisters (1914, 1926, 1929) bereits in den dreißiger Jahren. Als der Verein mit dem Kleeblatt im Wappen in den sechziger Jahren schließlich den Sprung in die neue Bundesliga verfehlte, war der Ruhm der Fürther endgültig verblasst, obwohl sie immerhin als erstes deutsches Team 1926 den FC Barcelona besiegt hatten.
Auch die Arena des Vereins verfiel: Galt die Anlage in den zwanziger Jahren als hochmodern und fasste mehr als 30 000 Zuschauer, wurde sie nun mehr und mehr zu einer pittoresken Fußball-Ruine, in der das Grünzeug über die windschiefen Stehplatzränge aus Sand und Holz wucherte. Der Tiefpunkt schließlich war in den achtziger Jahren erreicht: Während der Erzrivale aus Nürnberg mit Nationalspielern wie Andreas Köpke, Stefan Reuter und Dieter Eckstein reüssierte, stiegen die Fürther 1986/87 sogar aus der drittklassigen Bayernliga ab. Als es dann in der Landesliga gegen Lappersdorf-Kareth oder Kötzting ging, verirrte sich meist nur noch ein bescheidenes Zuschauerhäuflein in den Ronhof.
Den verlorenen Bayernligaplatz der Spielvereinigung nahm ein Dorfverein aus dem nahen Steigerwald ein, der TSV Vestenbergsgreuth. Ausgerechnet dieser ehrgeizige und von einem Kräutergroßhändler gesponserte Club, dessen Spieler in Fürth gern mal mit Teebeutelwürfen »begrüßt« wurden, und der Pokalgeschichte schrieb, als er 1994 den FC Bayern besiegte, sollte es sein, der das finanzielle Überleben des Fürther Traditionsvereins schließlich sicherte.
1996 nämlich traf Helmut Hack, Vereinsvorsitzender in Vestenbergsgreuth und Geschäftsführer eben jenes Kräuter-Grossisten, einen folgenschweren Entschluss: Die Fußballabteilung des TSV trat der Spielvereinigung bei, um einen Fusionsclub mit Helmut Hack an der Spitze zu bilden – eben die SpVgg Greuther Fürth. Der neue Vereinspräsident, der nach seinen eigenen Worten »Zahlen besser als Bücher lesen kann«, modernisierte das Stadion und behob in den folgenden Jahren die chronische Finanzkrise, stürzte den Verein aber dafür in eine akute Identitätskrise: Entscheidungen wie die, die Namensrechte am Ronhof an den Hersteller von Playmobil zu verkaufen oder große Pokalspiele in Nürnberg auszutragen, brachten zwar Einnahmen, befremdeten aber die eingefleischten Kleeblatt-Fans. Mehr als zehn Jahre lang war die Spielvereinigung deshalb ein zwiespältiges Gebilde. Nach außen dominierte »Greuther« mit einem langweiligen Retortenimage, während drinnen ganz viel Spielvereinigung war, charakterisiert von der amour fou der Fans zu einem Verein mit Patina und Passionsgeschichte.
Schließlich hatte die Vereinsführung ein Einsehen und vollzog die überfällige Kehrtwende vom Teeblatt zurück zum Kleeblatt: Seit 2007 ziert wieder das traditionelle Emblem der Spielvereinigung die Trikots der Spieler und dominiert Merchandise und Außendarstellung des Vereins; seit 2010 trägt die Gegengerade im Ronhof den Schriftzug »Kleeblatt«. Obendrein werden alle Spiele, auch die Knüller der kommenden Bundesligasaison, im heimischen Stadion ausgetragen – obwohl der Ronhof (aktueller Name: »Trolli-Arena«) trotz derzeit laufender Umbauten nur 18 500 Zuschauer fassen wird, knapp drei Viertel davon auf Stehplätzen. Die Zugeständnisse an die Fans waren zudem keineswegs nur symbolischer Natur: Es sind die Fanclubs selbst, die das Vereinsheim »Sportfreunde Ronhof« führen, und auch die Karten für den Stehplatzblock 12 vergibt eine Fanvereinigung.
Was in Fürth damit in den vergangenen Jahren zu gelingen scheint, ist die denkbar unwahrscheinliche Kombination von fußballerischer Moderne samt effektiver Vermarktung mit dem Charme des Familiären und Unzeitgemäßen. Und wahrscheinlich war es auch die daraus resultierende eigentümliche Stimmung, in der die Spieler beispielsweise nach dem DFB-Pokal-Derby-Sieg in Nürnberg im vergangenen Dezember mit den Fans durch die Kneipen der Fürther Altstadt zogen, die dazu beitrug, dass der Verein schließlich auch das Vorurteil der »Unaufsteigbarkeit« besiegen konnte – nach nicht weniger als acht knapp verpassten Bundesligaaufstiegen seit 1997 (siebenmal Fünfter, einmal Vierter). Diese besondere Verbundenheit zwischen Anhängern und Aktiven wird ab Juli vieles wettmachen müssen, denn Fürth gilt als einer der ersten Abstiegskandidaten. Der Kleeblatt-Spieleretat ist der niedrigste im Oberhaus und beträgt mit zwölf Millionen Euro gerade einmal ein Vierzehntel dessen, was der Liga-Krösus aus München aufwendet.