Rassistische Kampagne der griechischen Neonazis

Eine Blutbank für die Partei

Die griechische Neonazipartei Chrysi Avgi hetzt mit rassistischen Kampagnen gegen Migranten.

»Blut nur für Griechen!« steht auf einem Plakat, das derzeit in vielen Armenvierteln Athens zu sehen ist. Es ist Bestandteil einer neuen Kampagne der Neonazipartei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte), bei der Blutspender dazu aufgefordert werden, ihr Blut ausschließlich für Griechen und nicht für Migranten zu spenden. Die Partei schaffte bei den Wahlen am 17. Juni zum zweiten Mal den Einzug ins Nationalparlament. Als Chrysi Avgi bei den Parlamentswahlen am 6. Mai ein Ergebnis von beinahe sieben Prozent erreichte, konnte man noch hoffen, es handele sich um die Stimmen von Protestwählern. Aber dann fiel das Wahlergebnis für die Partei auch bei den Neuwahlen ähnlich hoch aus. Fast eine halbe Million Wähler und Wählerinnen stimmten für die Neonazis. Seitdem versucht die Partei gezielt, die Aufmerksamkeit der griechischen Bevölkerung auf sich zu lenken. Die faschistische Kampagne »Blut nur für Griechen« verlief bisher jedoch wenig erfolgreich. Die griechische Presse berichtete, dass Neonazis zwar im Sotiria-Krankenhaus, einem der größten Krankenhäuser Athens, versucht hatten, Blut für die »Partei-Blutbank« zu spenden. Der Leiter der Klinik, Giannis Stefanou, teilte jedoch mit, man werde bei der Verwendung des Bluts keine Rücksicht darauf nehmen, woher die Patienten stammen. Auch Griechenlands Ärztevereinigungen reagierten auf die Kampagne der Neonazipartei mit Empörung.

Vor allem bei der ärmeren Bevölkerung finden die Aktivitäten von Chrysi Avgi Zustimmung, obwohl sich verschiedene Medien darum bemühen, über die faschistische Ideologie der Partei aufzuklären. Immer häufiger sieht man in Athens ärmeren Stadtvierteln vor allem jüngere, in Schwarz gekleidete Mitglieder der Partei, die Lebensmittel verteilen. Anfang Juli eröffnete Chrysi Avgi das erste »soziale Lebensmittelgeschäft« im Athener Vorort Ano Liosia. Produkte zu günstigen Preisen dürfen dort nur Personen mit »griechischem Blut« einkaufen. Die Partei plant nun auch in anderen armen Athener Stadteilen Filialen zu eröffnen. Zusätzlich möchte sie in Gegenden mit hoher Kriminalitätsrate private Sicherheitsdienste einsetzen. Beschäftigt werden sollen dort arbeitslose Parteimitglieder und deren Freunde.
Die 18 Parlamentsabgeordneten von Chrysi Avgi versuchen mit generösen Gesten, die Bevölkerung auf ihre Seite zu bringen. Auf Anordnung des Parteivorsitzenden Nikolaos Michaloliakos sollen die Abgeordneten ihre Dienstwagen mehrköpfigen Familien zur Verfügung stellen. »Privilegien für das Volk – nicht für das Parlament«, sagte Ilias Kasidiaris, der Pressesprecher der Neonazipartei, und gab bekannt, dass sein Dienstwagen bereits von einer sechsköpfigen Familie genutzt werde. Anfang voriger Woche hat die Fraktion von Chrysi Avgi im griechischen Parlament einen Gesetzesentwurf eingereicht, der vorsieht, die staatliche Finanzierung für Parteien so stark wie möglich zu reduzieren. »Unser Ziel ist die endgültige Beseitigung dieser Kosten, aber dazu ist eine Verfassungsänderung erforderlich«, heißt es in einer Pressemitteilung der Partei, die zugleich ankündigte, dass die staatlichen Mittel, die Chrysi Avgi bis dahin erhalte, an die griechische Bevölkerung zurückgegeben würden, beispielsweise durch soziale Arbeit oder Suppenküchen für Bedürftige, Arbeitslose und mehrköpfige Familien. Migranten sollen davon natürlich nicht profitieren.
Durch solche Aktivitäten haben es die Neonazis geschafft, die Forderung vieler Griechen nach Maßnahmen gegen Korruption und Klientismus im griechischen Parlament scheinbar zu erfüllen. Hinter der humanitären Fassade der Partei verbirgt sich jedoch der Hass, dem die Migranten und Flüchtlinge, aber auch Personen aus dem linken Milieu täglich ausgesetzt sind. Immer wieder kommt es in Griechenland zu rassistischen Pogromen. Migranten und Flüchtlinge werden nicht nur auf der Straße oder an ihrem Wohnsitz angegriffen, die Neonazis haben auch damit begonnen, Migranten offen zu drohen, um sie aus Griechenland zu vertreiben. Ende Juni forderte eine Gruppe Neonazis im Athener Vorort Nikaia Migranten, die dort kleine Läden betreiben, dazu auf, das Land zu verlassen, und stellte ihnen ein Ultimatum von einer Woche. Die Migranten blieben, trotz der Bedrohung.

Anfang Juli fand in Nikaia eine antifaschistische Demonstration statt, um Solidarität mit den Migranten zu bekunden. Der Vorsitzende der Pakistanischen Gemeinschaft, Zavent Aslam, kritisierte in seinem Redebeitrag auch das Verhalten der Polizei während der rassistischen Angriffe: »Die Pakistaner werden von der Polizei nicht beschützt. Ich klage die Kollaboration von Chrysi Avgi mit der Polizei an. Die Polizei unterstützt die Verbrechen von Chrysi Avgi. Wo ist die Polizei, wenn die Pakistaner angegriffen werden?« Sogar Dimitris Kyriazidis, ehemaliger Vorsitzender des Polizeiverbandes (POASY) und Abgeordneter von Nea Demokratia, übte Kritik. »Die Polizeiführung muss sofort Maßnahmen gegen Versuche von Selbstjustiz gegen Migranten zu ergreifen, die im ganzen Land zu beobachten sind. Die Führung der Polizei darf kein Auge bei rechtsextremen Gruppen zudrücken, die der Chrysi Avgi nahestehen und sich im ganzen Land herumtreiben«, sagte Kyriazidis in einem Inter­view mit dem Webportal pheme.gr. Zur Tatsache, dass in den Wahllokalen, die von vielen Polizisten aufgesucht wurden, die Partei auffallend viele Stimmen erhielt – Berechnungen zufolge hat die Hälfte der griechischen Polizisten bei den Wahlen für Chrysi Avgi gestimmt –, fiel Kyriazidis ein: »Wenn seit Jahrzehnten die Gesellschaft den Polizisten den Rücken zukehrt, wenn die Bürger nicht bereit sind, deren Probleme anzuhören, und wenn der Staat sie als Beamte zweiter Klasse betrachtet, hat all dies einen negativen Effekt auf die Psyche der Polizisten. Dies ist die bittere Wahrheit.«

Einem Bericht von Human Rights Watch zufolge hat die Polizei bei ihren Ermittlungen bisher keine Verbindung zu Chrysi Avgi hergestellt. Allerdings gebe es Hinweise darauf, dass Mitglieder oder der Partei nahestehende Personen für rassistische Übergriffe verantwortlich seien. Die Organisation beklagt dieZunahme von rassistisch motivierten Übergriffen und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Behörden. Weder die Polizei noch die Justiz würden die Übergriffe verhindern oder bestrafen. Dem Bericht zufolge ignorieren die Behörden solche Vorfälle oder raten den Opfern gar davon ab, Anzeige zu erstatten. Abgesehen von den Vertretern linker Parteien wurde seitens der Politik bisher kaum auf die Zunahme rassistischer Gewalt reagiert. Der Menschenrechtsbeauftragte des Europarats, Nils Muižnieks, hat Griechenland am Sonntag voriger Woche dazu aufgefordert, die Rechtmäßigkeit der Neonazipartei zu prüfen. Er kündigte an, Athen mit einer Delegation zu besuchen. Es sind jedoch nicht nur Angriffe auf Migranten, die straflos bleiben. Für Empörung in linken Kreisen hat auch die Freilassung von sieben der acht Neonazis in der nordgriechischen Stadt Veroia gesorgt, die Ende Juni einen Cafébesitzer in seinem Lokal attackiert hatten. Der Cafébesitzer – ein Mitglied der linken Szene – wurde stattdessen wegen Verleumdung und Körperverletzung zu vier Monaten und 20 Tagen Gefängnis verurteilt. Die Kommission für Menschenrechte des Linksbündnisses Syriza kritisiert, Neonazis genössen »Immunität«. Chrysi Avgi scheint auch in den Reihen anderer Parteien Bewunderer zu gewinnen. Zwar verfehlte die Partei bei einer Abstimmung im Juni die Stimmenanzahl von 75, die nötig ist, um ihren Vertreter Polyvios Zisimopoulos ins Parlamentspräsidium zu wählen, aber Abgeordnete anderer Parteien trugen dazu bei, dass Zisimopoulos bei der geheimen Abstimmung 41 Stimmen erhielt.