Madonna gegen den Front National

Antifa heißt Madonna

Madonna singt nicht nur. Zurzeit liefert sie sich auch eine politische und juristische Auseinandersetzung mit dem französischen Front National und seiner Vorsitzenden Marine Le Pen.

Marine versus Madonna – das klingt nach einer neuen Episode von »Sex in the City« oder »Desperate Housewives«. Doch der Streit soll demnächst in Frankreich vor Gericht ausgetragen werden. Tatsächlich handelt es sich um eine politische Auseinandersetzung von zeitgeschichtlicher Bedeutung.

Ausgangspunkt des Konflikts war ein Konzert, das Madonna Ende Mai in Tel Aviv gab, während man sich in Frankreich auf die Parlamentswahlen vorbereitete. Während ihres Songs »Nobody Knows Me« zeigte die Pop-Diva auf einer Großbildleinwand in schneller Abfolge eine Serie von Gesichtern. Neben dem Papst, dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao, Hosni Mubarak und Sarah Palin war auch die rechtsextreme französische Politikerin Marine Le Pen zu sehen. Das Gesicht der 44jährigen Vorsitzenden des Front National erschien in kurzen Abständen einige Male hintereinander, dazwischen wurde ein Hakenkreuz eingeblendet, so dass die optische Täuschung entstehen konnte, das nationalsozialistische Zeichen sei auf Le Pens Stirn gemalt. Kurz darauf wurde auch eine schnauzbärtige Figur, die Adolf Hitler ähnelte, für Bruchteile von Sekunden auf die Leinwand projiziert.
Nun könnte man darüber streiten, ob die Bebilderung Le Pens Politik richtig charakterisiert. Einerseits ist sie, anders als ihr Vater Jean-Marie Le Pen, um verbale Distanz zum Nationalsozialismus und Faschismus bemüht. Anderseits war sie etwa am 27. Januar gemeinsam mit dem Vorsitzenden der FPÖ, Heinz-Christian Strache, beim Wiener Korporationsball zu Gast, zu dem die veranstaltenden Studentenverbindungen stets viele alte und neue Nazis laden. Eine Satiresendung des französischen Fernsehens zeigte Marine Le Pen aus diesem Anlass als Aschenputtel: Die Puppe tanzt in der Szene mit einem Prinzen, einem mustergültigen »Arier«, und verliert dabei ihren Schuh, einen Springerstiefel. Als es Mitternacht schlägt, muss die Tänzerin wie Aschenputtel im Märchen nach Hause zurückkehren. Aus dem Off hört man dazu eine Stimme: »Wenn es Mitternacht schlägt, verwandelt sie sich in eine Demokratin zurück.«
Der Front National nutzte die Nachricht vom Auftritt Madonnas in Tel Aviv allerdings nicht, um über historische Kontinuitäten und ihre Auswirkung auf das eigene Ansehen nachzudenken. Vielmehr kündigte er umgehend eine Klage vor einem französischen Gericht an. Anfang Juni zitierte die französische Zeitung 20 Minutes einen Sprecher des Front National mit den Worten: »Wir werden Geld durch den Prozess verdienen.«

Kurz darauf äußerte sich Marine Le Pen erstmals selbst. Während eines Wahlkampfauftritts sagte sie Journalisten: »Wenn Madonna das in Frankreich macht, dann warten wir schon auf sie!« Damals war ein Konzert der amerikanischen Sängerin am 14. Juli im großen Fußballstadion Grand Stade in der Nähe von Paris und am 21. August in Nizza geplant. Le Pen fügte hinzu: »Alternde Sängerinnen, die von sich reden machen müssen, kommen verständlicherweise auf solche extremen Ideen.« Tatsächlich trennen den 54jährigen Weltstar Madonna und die Politikerin nur zehn Jahre Altersunterschied. Wenige Tage später mischte sich Jean-Marie Le Pen in die Angelegenheit ein. Auf einer Pressekonferenz in Lyon sagte er, er wolle seine Tochter dazu anregen, »mehrere Millionen Dollar von Madonna zu fordern oder jedenfalls von denen, die ihre Konzerte organisieren«.
Am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, trat Madonna wie geplant im Grand Stade vor 70 000 Zuschauern auf und zeigte erneut den Videoclip. Dieses Mal reagierte die Partei prompt. Argumentativ nicht ungeschickt befand Florian Philippot, ein 30jähriger Funktionär, der Le Pens Wahlkampf leitete und vor kurzem mit einem Posten im Parteivorstand bedacht wurde, das Video sei nicht nur eine Attacke gegen den FN und seine Wähler. Es relativiere auch »gravierende Dinge«. Der Rechtsextreme unterstellte also Madonna, den Nationalsozialismus zu verharmlosen. Philippot kündigte zudem an, im Namen der Partei Strafanzeige wegen übler Nachrede zu erstatten. Diese wurde am 19. Juli eingereicht.
Madonna selbst erklärte ihre Absichten anlässlich eines Auftritts in Brasilien in einem Interview mit dem dortigen Fernsehsender Globo: »Dieses Video handelt von der Intoleranz einiger Menschen gegenüber anderen. (…) Die Musik betrifft auch Ideen. Ideen inspirieren die Musik, nicht wahr? Bei einem Konzert möchte ich immer auch eine Geschichte erzählen.«
Dies versuchte Madonna auch auf einem weiteren Konzert in Frankreich, das außerplanmäßig am Abend des 26. Juli im Pariser Konzertsaal L’ Olympia stattfand. Sie unterbrach ihre musikalische Darbietung für sieben Minuten und sprach zum Publikum. Sie lobte »das tolerante Frankreich« und kritisierte das »andere Frankreich«, das Marine Le Pen verkörpere. Sie führte aus: »Vor der Bürgerrechtsbewegung konnten afro-amerikanische Künstler keine Großauftritte in den USA haben, aber Frankreich öffnete ihnen seine Arme.« Sie nannte Josephine Baker und Charlie Parker als Beispiele. Damals hätten »die Farbigen, die Minderheiten, sich in Frankreich wohlgefühlt«. Aber zurzeit, fuhr sie fort, trete die Welt »in eine Periode ein, die Angst« mache. »Wirtschaften brechen zusammen, die Leute in Griechenland haben nichts zu essen, überall leiden Leute und haben Angst. Und was passiert, wenn die Leute Angst haben? Sie werden intolerant.«

In den großen Medien sorgte dieses Konzert allerdings aus anderen Gründen für Aufmerksamkeit. Aus nicht bekannten Gründen brach Madonna ihren Auftritt nach nur 50 Minuten ab. Für den Abend hatten die 2 700 Fans zwischen 85 und 250 Euro bezahlt, manche hatten vor der Halle übernachtet, um sicher zu sein, Einlass zu bekommen. Die Fans trauten deshalb ihren Augen nicht, als Madonna die Bühne verließ, Rufe wie »Schlampe!« oder »Geld zurück!« erklangen. Auf einer seiner Websites berichtete der FN hämisch über den Vorfall und ordnete den Artikel in die Rubrik »Menschliche Dummheit« ein. Der nächste Schritt in der Auseinandersetzung ist nun für Ende des Monats zu erwarten. Dann soll Madonna in Nizza auftreten.