Torture Porn

In unserer Zeit ist Öffentlichkeitsscheu eine seltene Tugend geworden. Der Autor dieses wendungsreichen Großromans verfügt über sie. Außer seinem bei »The Simpsons« entlehnten Pseudonym ist fast nichts über ihn bekannt, es existiert nicht einmal ein Jugendfoto. Spielend verbindet er die Ergebnisse historischer Recherche mit barocker Phantasie. 24 Bücher umfasst das Werk, das Figurenpersonal ist so unübersichtlich, dass der Leser Namenslisten anlegen muss. Trotzdem wird es nie langweilig, dient die archaische Kriegskulisse doch nur als Anlass für eine Bricolage, die Elemente von Abenteuergeschichte und Fantasy, Kriminalroman und Liebesroman zu einer radikalen Zivilisationskritik verbindet. Ganz in der Tradition des Folterfilms, der von Frankreich aus die Kinos erobert hat, schaut das Buch selbst dann unerbittlich zu, wenn Männer bis aufs Blut misshandelt und Frauen geschändet werden. Schon eine der ersten Szenen beschreibt eine Vergewaltigung, die übrige, in »Schlachttage« gegliederte Handlung entfesselt die kollektive Brutalität, die aus dieser Gewalttat entspringt. Köpfungen, Zerstückelungen und Leichenverbrennungen, vor nichts scheut der durch die Exzesse der Moderne geschärfte Blick des Autors zurück. Hervorzuheben ist seine Sensibilität für den Konnex von Patriarchalismus, Sexismus und Totalitarismus. Nur dass das Buch in Versen geschrieben ist, erschwert die Lektüre – ein geschickter Kniff, um konsumistische Lesegewohnheiten zu dekons­truieren. Die fast noch spannendere Fortsetzung ist im selben Verlag erhältlich.

Homer: Ilias. Übersetzt von Roland Hampe. Reclam-Verlag, Stuttgart 2012, 624 Seiten, 8 Euro