Das große Warten

Am Tag vor der Demonstration für die Rechte von Flüchtlingen und Asylsuchenden ist der Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg ziemlich leer. Der Frau am Infotisch ist das unangenehm: »Die sind alle in der Stadt oder in Privatwohnungen gerade. Was soll man denn den ganzen Tag am O-Platz rumhängen?« Im Zelt der »Falken« schneidet ein Mann mit langem blondem Haar Äpfel. »Talk to the refugees«, sagt er. Aber schneller noch sprechen die Flüchtlinge mit mir. Grace* erzählt von seiner Enttäuschung, aber auch davon, wie gut es sich anfühlt, dass sie nun so eine große Unterstützung erhalten. Im Plenumszelt ist es voll. Wer reden will, wedelt mit beiden Händen in der Luft. »Occupy« hat Spuren hinterlassen. Was Grace sich von morgen erhofft? Gesetzesänderungen. Dass diese wohl nicht von heute auf morgen beschlossen werden, möchte weder er, noch sonst jemand hier diskutieren. Zu groß sind die Opfer, die viele schon gebracht haben. Wie lange wird er bleiben, wenn sich nicht gleich etwas tut? »Es ist sehr kalt und es gibt keine richtigen Sanitäranlagen. Ich hoffe, ich kann bald wieder fahren.« Plötzlich wird das Plenum unterbrochen. Draußen schreit jemand: »Scheiß Nigger, verpisst euch!« Die Frau am Mikro sagt nur: »Hört da nicht hin.« Mehr als 6 000 Menschen sind am Samstag auf der Straße. Mit so viel Beteiligung haben die Organisatoren nicht gerechnet. Es ist ein Riesenerfolg. Die Leute vom Oranienplatz geben bekannt, dass sie bleiben werden, bis alle ihre Forderungen erfüllt sind. Am Montag wird die nigerianische Botschaft besetzt, es gibt einige Festnahmen. Die Beteiligten erzählen vom brutalen Vorgehen der Polizei und der Misshandlung durch Pfefferspray. Die Stimmung im Camp ist angeschlagen. Nicht alle waren mit der Besetzung einverstanden. Die neue Flüchtlingsbewegung wird einen langen Atem brauchen. Das Camp am Oranienplatz macht sich schon mal wintertauglich.

*Name von der Redaktion geändert