Die Union will Studierendenvertretungen abschaffen

Union gegen Rätemacht

Die Junge Union tritt in ihrem neuen Grundsatzprogramm für die bundesweite Abschaffung von Studierendenvertretungen ein. Und die schwarz-gelbe Landesregierung in Sachsen gefährdet mit ihrem neuen Hochschulgesetz die Existenz der Studierendenräte des Bundeslandes.

Ein kleiner Abschnitt im mehr als 40 Seiten umfassenden Programmentwurf der Jungen Union (JU) sorgte jüngst wochenlang für Diskussionen innerhalb der CDU: Irgendwo zwischen der Ablehnung des Adoptionsrechts für Homosexuelle und der Forderung nach einer »Stärkung des nationalen Zusammenhalts« heißt es, man mache sich stark »für die Abschaffung der verfassten Studierendenschaften«, also der staatlich anerkannten Studierendenvertretungen mit Finanz- und Satzungsautonomie. Diese Forderung löste nicht nur Dutzende Änderungs- und Streichungsanträge in den eigenen Reihen aus.
Auch der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS), eine CDU-nahe Hochschulgruppe, fühlt sich vor den Kopf gestoßen. Dort hat man zumindest verstanden, dass die Hochschulleitungen, überwiegend dem vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) seit Mitte der neunziger Jahre vorangetriebenen Ideal der »unternehmerischen Hochschule« folgend, regelmäßig Interessen der Studierenden übergehen und diese darum eine »starke Stimme« brauchen.

Begründet wird die Forderung der JU damit, dass die Allgemeinen Studierendenausschüsse (Asten) angeblich regelmäßig ihre Gelder zweckentfremden würden, indem sie diese etwa in unpolitische, kulturelle oder »extremistische« Aktivitäten investierten. Von Veruntreuung kann allerdings lediglich in Einzelfällen die Rede sein, an denen keineswegs nur als »linksextrem« diffamierte Asten beteiligt sind: An der Universität Duisburg-Essen beispielsweise wird seit 2011 auch gegen RCDS-Referenten wegen Untreue und Korruption ermittelt, im selben Jahr verschwanden unter dem unionsnahen Asta der Göttinger Universität die Einnahmen aus Fußballübertragungen in Höhe von 18 000 Euro.
Das Geld für die Asten wäre der JU zufolge besser »in der personellen und technischen Ausstattung unserer Hochschulen« angelegt. Außer Frage steht, dass diese vielerorts zu wünschen übrig lässt, was jedoch nicht selten der Kürzung der Etats für Universitäten durch Landesregierungen mit CDU-Beteiligung geschuldet ist. Die Kosten des Asta tragen allerdings die Studierenden, von denen die Hochschulen zur Finanzierung der Asten jedes Semester Beiträge in Höhe zwischen fünf und zehn Euro erheben. Nach der Abschaffung der Selbstvertretungsstrukturen hätten die Hochschulen folglich »keinen einzigen Euro zusätzlich«, bemerkt der RCDS-Bundesvorsitzende Frederik Ferreau in einer Stellungnahme. Die Forderung, die Gelder für die studentische Selbstverwaltung direkt in den Ausbau von Lernressourcen zu investieren, kommt somit selbst einer Zweckentfremdung gleich. Trotz diverser Einwände hat die JU ihr erstes Grundsatzprogramm seit 1997 am Sonntag voriger Woche, nach eigenen Angaben einstimmig, auf dem »Deutschlandtag« in Rostock beschlossen.

Auch wenn die Forderungen der JU innerhalb der Union umstritten sind, hat die sächsische schwarz-gelbe Landesregierung mit ihrem Ende September verabschiedeten »Hochschulfreiheitsgesetz« bereits mit einem Angriff auf die Existenzgrundlage der Asten begonnen. Den Studierenden steht es demnach in Zukunft frei, aus der verfassten Studierendenschaft auszutreten. Dies ist vor allem für die 30 Prozent jener Studierenden attraktiv, die das Semesterticket, das beliebteste Angebot der Asten, nicht nutzen. »Als Folge werden in Zukunft die solidarisch finanzierten Semestertickets abgeschafft werden müssen und betroffene Studierende nun noch stärker belastet werden«, schreibt Marco Unger, stellvertretender Vorsitzender der GEW Sachsen, im Magazin der Gewerkschaft. Studierendenvertreter sehen durch den drohenden Verlust der Einnahmen die gesamte Arbeit der Asten gefährdet. Das »Hochschulfreiheitsgesetz« tritt im Sommersemester vollständig in Kraft.
Pikant ist zudem, dass das Vorhaben der Regierung auch von der NPD begeistert aufgenommen wurde, die dem Gesetz im Landtag zustimmte. Die verfassten Studierendenschaften sind den Neonazis ein Dorn im Auge, wurden sie doch nach 1945 von den Westalliierten im Rahmen des Reeducation-Programms eingesetzt. Max Horkheimer nannte dieses System eine »echte Schule zur Demokratie«. In Ostdeutschland entstanden zur Wendezeit die sogenannten Studentenräte, um die autoritäre Hochschulstruktur der DDR zu überwinden.
CDU und JU begründen ihr Vorgehen mit ähnlichen Argumenten: Da das den Asta konstituierende Studierendenparlament oft nur mit einer Wahlbeteiligung von zehn bis 20 Prozent der Studierenden gebildet werde, sei es nicht ausreichend demokratisch legitimiert, weshalb seine Einflussmöglichkeiten auf die Hochschule begrenzt werden müssten.
Hier werden jedoch Ursache und Wirkung der »Wahlmüdigkeit« vertauscht. Weil die Asten nicht direkt an der akademischen Selbstverwaltung beteiligt sind, haben sie kaum Einflussmöglichkeiten auf die Hochschulpolitik. Vielerorts haben sie nur begrenzten Spielraum durch ein sehr enges Mandat, das Äußerungen, die sich nicht auf Hochschul- oder Bildungspolitik beziehen, untersagt. Diese Reglementierungen führen zu Frust und Desinteresse bei den Studierenden und sorgen für die geringe Wahlbeteiligung, die allerdings dem freien Zusammenschluss von Studierendenschaften zufolge durchaus auch »als Einverständnis mit der Arbeit der Studentenvertretung gewertet werden kann«.

Die Entscheidung über verfasste Studierendenschaften obliegt den jeweiligen Landesparlamenten. In Bayern wurden sie 1974 abgeschafft, um »den linken Sumpf trocken zu legen«, wie der damalige Kultusminister Hans Maier (CSU) formulierte. Hessen stellte von 2006 an jeder Hochschule die Abschaffung des Asta frei und koppelt die Erlaubnis der Erhebung von Beiträgen an eine bestimmte Wahlbeteiligung.
Auch in Baden-Württemberg wurden die verfassten Studierendenschaften 1977 abgeschafft. Hier plant nun die erste grün-rote Landesregierung die Wiedereinführung. Die Asten sollen sich dem Koalitionsvertrag zufolge »auch über die Belange der Hochschule hinaus« äußern dürfen. Das oft von Studierendenvertretern geforderte allgemeinpolitische Mandat erhalten sie jedoch nicht.