Skandal um Kindermissbrauch bei der BBC

Der böse Onkel und seine Helfer

In Großbritannien stehen die BBC und hohe Politiker im Verdacht, in den größten Missbrauchsskandal des Landes verwickelt zu sein.

Genau ein Jahr nach dem Tod des BBC-Stars Jimmy Savile beginnt eine großangelegte unabhängige Untersuchung bei der britischen Medienanstalt. Überprüft werden soll, wie Savile während seiner über 40 Jahre dauernden Karriere ungestraft Hunderte Mädchen missbrauchen konnte. Der exzentrische Savile wurde als DJ und Moderator von Musik- und Familiensendungen in den sechziger Jahren schnell zum Liebling der Nation. Nun bezeichnet die Polizei ihn als einen »räuberischen Sexualstraftäter«, einen der schlimmsten in der Geschichte Großbritanniens.
Die Enthüllungen der vergangenen Wochen haben zu einem der größten Skandale seit Gründung der BBC geführt. Immer mehr Frauen melden sich bei der Polizei und berichten, dass Savile sie sexuell belästigt habe. Er soll sich auch an Mädchen in Krankenhäusern, Psychiatrien und Internaten vergriffen haben. 40 Millionen Pfund hatte er für wohltätige Zwecke gesammelt und an diesen Orten gearbeitet. Zeuginnen berichten, er habe Patientinnen dort missbraucht.

Rund 300 Opfer haben sich bisher bei der Polizei gemeldet und es wird 400 Hinweisen nachgegangen. Mittlerweile wird gegen zehn ehemalige und derzeitige Mitarbeiter der BBC ermittelt. Politiker fordern, auch gegen einen noch ungenannten ehemalige Mitarbeiter der Regierungen unter Ted Heath und Margaret Thatcher zu ermitteln, da der Verdacht besteht, bei der BBC und in den höchsten Rängen der Politik habe ein Pädophilenring operiert.
Gary Glitter, mit bürgerlichem Namen Paul Dadd, wurde am Sonntag als erster im Rahmen der Ermittlungen in London festgenommen. Der Glamrock-Star der siebziger Jahre und Freund Saviles wurde Ende der Neunziger wegen des Besitzes von kinderpornographischem Material verurteilt und kam 2006 in Vietnam wegen Kindesmissbrauchs zwei Monate ins Gefängnis. Die Vorwürfe gegen ihn stammen von Karen Ward. Sie habe gesehen, wie Glitter in Saviles Umkleide bei der BBC Sex mit einem Mädchen hatte, während Savile lachend dabei zusah.
Ward ist eine der Hauptzeuginnen, bereits im vorigen Jahr war sie von zwei Journalisten der BBC für das Nachrichtenmagazin »Newsnight« interviewt worden. Der Beitrag, der zum ersten Mal Missbrauchsvorwürfe gegen Savile öffentlich gemacht hätte, wurde kurzfristig vom verantwortlichen Redakteur gestrichen. Damit beschäftigt sich nun eine zweite unabhängige Untersuchung der BBC, da vermutet wird, dass der Beitrag nicht, wie vom Redakteur behauptet, aus redaktionellen Gründen, sondern auf Anweisung aus der Chefetage aus dem Programm genommen wurde. Der enthüllende Beitrag wäre kurz vor Weihnachten gesendet worden und hätte möglicherweise eine Änderung der geplanten Hommage-Sendungen über Savile zur Folge gehabt.

Der neue Generaldirektor der BBC, George Entwistle, war selbst an der Planung der Hommage-Sendungen beteiligt und musste sich vorige Woche Fragen des parlamentarischen Sonderausschusses für Kultur, Medien und Sport zu dem Vorfall und dem Verhalten der BBC stellen. Bei Politikern und Journalisten wurden nicht nur Fragen nach dem zurückgehaltenen Beitrag laut, sondern auch nach den offensichtlichen Versuchen, den Missbrauchsskandal und die Verwicklung der BBC in ihn unter den Teppich zu kehren.
Ein ehemaliger Journalist sagte in der Dokumentarsendung »Exposure«, die Anfang Oktober im konkurrierenden Privatsender ITV das Thema zum ersten Mal an die Öffentlichkeit brachte, Savile habe nie ein Geheimnis aus seiner Vorliebe für Mädchen gemacht. Saviles Fernsehpersönlichkeit war ein extravaganter, anzüglicher Onkel, der Trainingsanzüge und dicke Goldketten trug und Zigarren rauchte. Seinen Erfolg verdankte er vor allem der Musiksendung »Top of the Pops«, die in Großbritannien mehr als 40 Jahre lang die Musikszene und den Erfolg von Bands stark beeinflusste. In »Exposure« erzählt ein ehemaliger Radiojournalist, Savile habe zugegeben, dass »Top of the Pops« sein »Jagdgrund« sei, als er ihn mit einem minderjährigen Mädchen antraf.