Skandal? Normal!

Dass ein Intendant nur Gutes über seinen Sender verbreitet, ist eine Selbstverständlichkeit. Anderenfalls wäre der Betreffende für diesen Job eine glatte Fehlbesetzung. Insofern hat Thomas Bellut, seines Zeichens Intendant des öffentlich-rechtlichen ZDF, alles richtig gemacht. In mehreren Interviews stellte er klar, dass man sich bei der Programmgestaltung nicht von außen reinreden lasse – auch nicht vom Sprecher der einstigen Staatspartei CSU.
Eine Selbstverständlichkeit, möchte man meinen. Doch der Hinweis auf redaktionelle Unabhängigkeit und freie Themenwahl war Bellut offenbar ein Bedürfnis. Schließlich hatte sich, so hat es zumindest bislang den Anschein, ein gewisser Hans Michael Strepp bemüßigt gefühlt, beim Zweiten Deutschen Fernsehen per Anruf und SMS vorstellig zu werden. Sein Begehr: Ob man nicht, bitte schön, auf einen Bericht über den Parteitag der Bayern-SPD verzichten möge oder diesen zumindest auf angemessene Bedeutungslosigkeit zusammenschrumpfen lassen könne. Diesem Ansinnen erteilten die verantwortlichen Redakteure offenbar eine klare Absage. Was auch sonst. Allerdings wurde der Vorgang ruchbar, alle riefen Skandal – und Herr Strepp ist inzwischen seinen Posten als Sprecher der Christsozialen los.
Haben wir einen fiesen Anschlag auf die hierzulande verbriefte Pressefreiheit miterlebt und glücklicherweise unbeschadet überstanden? Sind die tapferen Mainzelmännchen zur Hochform aufgelaufen? Hat sich das Sendezentrum auf dem Lerchenberg als uneinnehmbare Festung für Möchtegernzensoren erwiesen? Ach, es geht sicherlich einige Nummern kleiner. Das Ganze mag zwar in Wahlkampfzeiten eine kleine Affäre und deshalb vor allem für die CSU unangenehm sein, doch dem Abendland drohte keineswegs der Untergang.
Zwar hat derlei auch Thomas Bellut nicht behauptet. Aber die Sache wurde schon ein wenig vom Intendanten aufgebauscht. Einen Anruf wie den vom damals noch amtierenden CSU-Sprecher habe er noch nie erlebt, platzte es aus ihm heraus. Wenn dem wirklich so ist, dann ist der ZDF-Mann offenbar sehr, sehr schlecht erreichbar. Denn Lobbyisten wie Hans Michael Strepp versuchen immer, auf Gedrucktes oder Gesendetes Einfluss zu nehmen. Bei jeder Gelegenheit, tagtäglich. Immerhin ist es ihre Hauptaufgabe, als PR-Beauftragte den Arbeitgeber in gutem Licht erscheinen zu lassen. Das ist die eine Seite des Mediengeschäfts. Zur selbstverständlichen Pflicht der anderen Seite – in diesem Fall der ZDF-Redakteure – gehört es, derartige Vorstöße abzuwehren.
Überhaupt wäre allen dieser Eklat erspart geblieben, wenn der CSU-Sprecher nur dem CSU-Vorsitzenden richtig zugehört hätte. Horst Seehofer hatte nämlich vor einiger Zeit großmütig erklärt: »Das können Sie alles senden.« Der Sender, den er dazu aufforderte, war – das ZDF.