Total Buyout

In der Regensburger Innenstadt gibt es eine Privatschule, Pindl mit Namen, seit altersher verspottet: »Hast a dumm’s Kindl, schickst’ es zum Pindl! Kommt’s wieder raus, schaut’s noch blöder aus.« Diesen Spruch möchte man auf die Digitalwirtschaft anwenden: »Hast a dumm’s Kindl, gib ihm ein Kindle! Drückt’s nicht auf ›Abort‹, ist das ganze Geld fort.« Wer dachte, von all den doofen Online-Firmen sei Amazon noch die am wenigsten schäbige, darf künftig irritiert die Brauen lupfen. Die schlechten Zahlen, die das Unternehmen jüngst schrieb, verleiten die Verantwortlichen zu verzweifelten, irren Ideen. Das Kindle Fire ist so eine. Wer es ganz naiv als E-Book in bunt kauft, wird getäuscht. Das ganze Gerät ist eine einzige Plattform für Werbung, für Zusatzleistungen und Spezialdienste. Wenn man es einschaltet, zeigt es Werbung. Wenn man es nutzt, zeigt es Werbung, für kostenpflichtige Medieninhalte. Wenn man es ausschaltet, erhält man per E-Mail Werbung für Kindle-Schnickschnack. Wenn man es anders als im Schneckentempo aufladen will, muss man dafür einen prachtvoll beworbenen Adapter kaufen. Online-Speicherplatz? Gerne! Geld her! Das Betriebssystem Android wurde um wichtige Funktionen beschnitten? Kein Problem, kann man per App im Amazon-App-Shop wieder aktivieren, gegen Geld. Tatsächlich hat der Nutzer das Gefühl, dass ihn jede Berührung des Display Geld, Werbeaufmerksamkeit oder Nerven kostet. Für knapp 200 Euro bestellt man sich also eine Mischung aus Leuchtreklame, Mautstation, Abofalle und Staubsaugervertreter. Früher kaufte man sich einen Fernseher und sah so lange Filme, bis das Gerät explodierte. Heute muss man sogar für die Werbeblöcke bezahlen.

Leo Fischer ist Chefredakteur des Satiremagazins »Titanic«